Bonbonniere, Faltschachtel aus Papier zur Aufbewahrung von Gemmenabdrücken in Zuckerpaste, frühes 19. Jh., © Klassik Stiftung Weimar

Bonbonniere, Faltschachtel aus Papier zur Aufbewahrung von Gemmenabdrücken in Zuckerpaste, frühes 19. Jh., © Klassik Stiftung Weimar

Zuckergemmen aus Goethes Besitz, gefertigt vom Weimarer Hofkoch René François le Goullon © Klassik Stiftung Weimar

Zuckergemmen

Zuckergemmen sind Süßigkeiten aus der Goethe-Zeit. Zur Herstelllung von Gemmen wird ein Bildmotiv in einen Edel- oder Schmuckstein eingeschnitten. Bei Zuckergemmen wiederum handelt es sich um Gemmenabdrücke in Zuckerpaste.

Auch der in Metz geborene Küchenmeisters René François le Goullon (1757–1839), der bis zum Tode Anna Amalias Mundkoch war, stellte diese ovalen, 16 bis 32 Millimeter großen »Pastillen« her. Sie zeigten oftmals mythologische Motive in erhaben weißlichem Relief auf farbigem Grund. Le Goullon, der Anna Amalia in den Jahren von 1788 bis 1790 nach Italien begleitete, brachte von dort nicht nur ein Rezept zur Herstellung dieses modischen Nachtisches, sondern auch einen Vorrat an Gemmen und Zuckergemmen mit.

Die Zuckergemmen wurden zum Nachtisch gereicht, wo diese betrachtet und dann genossen wurden. Nachdem le Goullon in den folgenden Jahren eine Anzahl neuer Glasimitationen von antiken Gemmen aus Italien erhalten hatte, umfasste sein Zuckergemmen-Sortiment gegen Ende 1799 siebzig verschiedene Motive in acht Geschmacksrichtungen (Bergamotte, Fraise, Rose, Violette, Fleur d’Orange, Canelle, Caffé, Choccolad), die er in Schachteln oder Säckchen zu je siebzig, beziehungsweise 140 Stück pfundweise über das Weimarer Landes-Industrie-Comptoir zum Kauf anbot.

Die Zuckergemmen avancierten damit auch zum kulinarischen Wahrzeichen von Weimar.

Die besondere Erfolgsgeschichte der Zuckergemmen gründete darauf, dass sie aus altertumswissenschaftlicher Sicht korrekt gearbeitet waren und nicht bloß visuell oder taktil, sondern auch mit dem Geruchs- und Geschmackssinn wahrgenommen, ja regelrecht einverleibt werden konnte.

Im Laufe der Zeit entwickelte auch Johann Wolfgang von Goethe immer komplexere Inszenierungsformen für seine Einladungen zu Tische, wobei er auf kulturelle Muster, wie das Symposion oder das Abendmahl verwies, die den Akt des Essens mit einer bestimmten Redeordnung verbinden. Dazu reichte er des Öfteren Zuckergemmen.

Nach einem Artikel von M. Dönike und Ch. Holm: Zuckergemmen, S. 26-29, in: S. Böhmer, Ch. Holm, V. Spinner, Th. Valk (Hrsg.): Weimarer Klassik. Kultur des Sinnlichen. Ausstellungskatalog. Berlin, München 2012