Alle Jahre wieder:
Weihnachten am Weimarer Hof
Bekanntermaßen dankte Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach am 9. November 1918 ab. Mit seiner Familie ging er zunächst nach Allstedt, um sich von dort kurz vor Weihnachten nach Heinrichau in Schlesien zu begeben. Das Weihnachtsfest 1918 feierte die Familie nun großbürgerlich statt großherzoglich. In Anbetracht des vergangenen Jahres muss die Stimmung bedrückt gewesen sein. Haben die Kinder verstanden, was vorgegangen war? Sicher hielten sich Wilhelm Ernst und Feodora die Bilder des vergangenen Weihnachtsfests wehmütig vor Augen.
Am 24. Dezember 1917 war an die Abdankung der deutschen Reichsfürsten noch nicht zu denken. Großherzog Wilhelm Ernst selbst verbrachte die Feiertage im Bett. Er war an den Frieseln, einem mit Fieber verbundenem Hautausschlag, erkrankt. Großherzogin Feodora hingegen nahm am ersten Weihnachtsfeiertag am Gottesdienst in der Schlosskapelle teil und zerstreute sich am 26. Dezember mit Skilaufen auf dem Ettersberg.
Das letzte Weihnachtsfest, das Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach als regierender Landesfürst mit seiner Familie feierte, liegt also einhundert Jahre zurück. Bis dahin hatte es in den Mauern des Weimarer Residenzschlosses schon viele Weihnachtsabende und Festtage gegeben, waren viele kleine Prinzen und Prinzessinnen beschenkt worden – zu ihrer Freude, aber auch geistigen Erbauung. Allerdings geben uns die Schriftquellen nur punktuell Einblick in die Weihnachtsfeste am Weimarer Hof, denn die Familie feierte wie jedermann: still, im kleinen Kreise und privat.
Bereits im 16. Jahrhundert bedachten die sächsischen Kurfürsten und Herzöge ihren Nachwuchs mit Weihnachtsgeschenken. 1518 konnte sich Prinzessin Maria über etliche Vögel freuen. 1522 erhielt ihr älterer Bruder, der spätere Kurfürst Johann Friedrich, mit Perlen und Gold bestickte Kleidung. Im selben Jahr wurde ein Wolf im Schlosshof gehetzt, der in der Niedergrunstedter Flur gefangen worden war. Zu Weihnachten 1556 amüsierten sich Herzog Johann Wilhelm und Herzogin Dorothea Susanne mit Schlittenfahrten. Ihre Söhne Friedrich Wilhelm und Johann erhielten zum Fest 1570: »allerley so der Heylige Christ den Jungen Hern beyderseits beschert hat«. Im folgenden Jahr lagen ein Schach- und ein Brettspiel sowie etliche Bücher auf dem Gabentisch der beiden Prinzen. Zuckerbilder sollten ihnen die Feiertage versüßen.
Mitunter verknüpften sich Geburten und Todesfälle in der Fürstenfamilie mit den Weihnachtsfeiertagen. So kam etwa Ernst der Fromme am 25. Dezember 1601 zur Welt; seine Schwägerin, Herzogin Eleonore Dorothea verstarb am 26. Dezember 1664 im Kreise ihrer Kinder.
1757 feierte in Weimar ein sehr junger Hof Weihnachten: Herzog Ernst August Constantin war 20 Jahre alt, seine Gemahlin Anna Amalia 18, und wenige Monate zuvor war mit Carl August ein Erbprinz geboren. Am 24. Dezember desselben Jahres trat Fräulein Charlotte von Schardt, spätere Stallmeisterin von Stein, ihren Dienst als Hofdame bei Anna Amalia an. Am Tag darauf feierte sie außerdem ihren 15. Geburtstag. Ein Jahr später war Ernst August Constantin verstorben und seine junge Witwe stand mit zwei Söhnen im Kleinkinderalter alleine da.
Doch kleine Prinzen wachsen heran und so kehrten die fröhlichen Tage bis 1775 zurück: Carl August hatte die Regentschaft im Herzogtum übernommen und sich mit Luise von Hessen-Darmstadt vermählt. In diesem Jahr ließ sich der Herzog die ersten Kinderschuhe seiner Gemahlin sowie seine eigenen bringen. Wollte er seiner Frau eine besondere Überraschung zum ersten gemeinsamen Weihnachtsfest bereiten? Die Festtage im Fürstenhaus, denn das Residenzschloss war 1774 einem Brand zum Opfer gefallen und konnte erst 1803 wieder bezogen werden, gestalteten sich ruhig. Carl August und Luise verbrachten den Heiligen Abend allein. Am 26. Dezember wurde Tafel bei der Herzoginmutter Anna Amalia im Wittumspalais gehalten. Die Zeit dazwischen füllten Konzerte, Komödien und ab 1800 Maskenbälle im Saal des neu eingerichteten Stadthauses. Kinderlachen wird es indes an den fürstlichen Tafeln nicht gegeben haben, denn der Nachwuchs speiste à part. 1780 ließ Carl August für den damals 19-jährigen Prinzen Georg von Sachsen-Meiningen ein chinesisches Schattentheater aufbauen. Prinzessin Caroline Luise erhielt von ihrem Vater Spielsachen, die vermutlich am Christbaum hingen. 1809 musste ein neues Fußgestell für den »Weÿhnachts-Zuckerbaum« angeschafft werden. Übrigens dichtete der Pädagoge Johannes Daniel Falk in Weimar sein 1816 veröffentlichtes »Allerdreifesttagslied«, dessen erste Strophe als eines der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder »O du fröhliche« alljährlich zum Besten gegeben wird.
1805 wurden Carl August und Luise zum ersten Mal Großeltern. Nun war es vor allem die Großherzogin, die ihre stetig wachsende Enkelschar mit Spielzeugen aus Weimar, Ilmenau oder Nürnberg erfreute. 1827 erhielt der zehnjährige Carl Alexander einen kleinen Soldatenmantel und einen kleinen Tornister von seiner Großmutter. Am 24. Dezember kam die großherzogliche Familie im Zedernzimmer Maria Pawlownas zusammen. Aus der Hofkonditorei wurden drei mit Zuckerwerk angeputzte Bäume herauf gebracht, wo die Hofmeisterin der fürstlichen Kinder die Geschenke unter den Bäumen anordnete. Maria Pawlowna ließ es sich nicht nehmen, dabei zu helfen. Anschließend konnten sich ihre Kinder Marie, Auguste und Carl Alexander über je einen eigenen Zuckerbaum freuen. Den Weihnachtsfeiertag verbrachte die Familie bei Tee und Spiel in den Zimmern von Großherzogin Luise. Am 26. Dezember beschlossen Komödien und Maskenbällen die Feiertage. 1826 fand die Bescherung im Fürstenhaus statt, wo Herzogin Ida mit ihren Kindern wohnte. Dieses Weihnachtsfest war ein besonderes, denn am 25. Dezember wurde Prinzessin Marie mit Prinz Carl von Preußen verlobt.
Zum Weihnachtsfest 1805 bedachte Maria Pawlowna ihren nur wenige Monate alten Erstgeborenen, Prinz Alexander, bereits mit silberner Waschschüssel und Kanne. So hielt sie es noch vierzig Jahre später mit ihrem Enkel Carl August. Der damals Einjährige bekam neben Spielsachen eine silberne Terrine von der Großmutter geschenkt. Aber auch die in Berlin lebenden Töchter und ihre Familien mussten bedacht werden. 1845 erhielten die Schwiegersöhne Carl und Wilhelm von Preußen je eine vergoldete Bouillontasse. Die drei Enkelinnen ein silbernes Teebrett, eine Brosche bzw. eine Korsage mit drei Amethysten. Ihrem Schwager Bernhard schenkte Maria Pawlowna einen feinen Siegelstempel aus Gold und Elfenbein. Seine Gemahlin Ida erhielt einen Fächer und die Neffen Gustav und Herrmann eine goldene Zylinderuhr bzw. einen goldenen Bleistift. Ihrem Gemahl Carl Friedrich machte sie eine Schale aus Karneol, einem blutrot bis gelblich gefärbtem Schmuckstein, zum Geschenk. Bis zu ihrem letzten Weihnachtsfest 1858 versammelte Maria Pawlowna die Familie stets am Heiligen Abend im Zedernzimmer.
Zwischen 1859 und 1863 gab Großherzog Carl Alexander jährlich am 25. Dezember eine Kindergesellschaft, an der bis zu 42 Kinder teilnahmen. 1861 ließ er sogar einen Taschenspieler auftreten. Bescherungen sind erst ab 1867 wieder bekannt. Sie fanden nun im Louisenzimmer des Residenzschlosses statt. Die großherzogliche Familie war in diesen Jahren stetig angewachsen und zuweilen kam der verwitwete Bruder von Großherzogin Sophie, Prinz Heinrich der Niederlande, nach Weimar, um hier die Weihnachtsfeiertage zu verbringen.
Nach dem Tod Großherzogin Sophies übernahm ihre Schwiegertochter Pauline die Bescherungen. Im Louisenzimmer fanden an Heiligabend nur noch die Abendtafeln statt. Den Weihnachtsfeiertag richtete der nun 21-jährige Erbgroßherzog Wilhelm Ernst aus. 1901 übernahm er die Regentschaft. An diesem 25. Dezember speisten Mutter und Sohn gemeinsam zu Mittag. Die übrigen Familienmitglieder waren verstorben; dementsprechend still fiel dieses Fest aus. 1910 fand in der heute sogenannten »Falkengalerie« eine Bescherung für die Dienerschaft und anschließend für den Hofstaat statt. In diesem Jahr war mit Feodora von Sachsen-Meiningen eine neue Großherzogin in Weimar eingezogen. Ab 1913 ist bekannt, dass die fürstlichen Kinder, nämlich Prinzessin Sophie und ihre Brüder Wilhelm Ernst und Bernhard Friedrich, stets am 25. Dezember um 17 Uhr beschert wurden. Womit wir wieder im Jahr 1917 angekommen sind: bei einem bettlägerigen Großherzog, seiner skilaufenden Gemahlin und ihren erwartungsvollen Kindern.
Wir wünschen Ihnen ein frohes und gesundes Weihnachtsfest!