Blick auf Lugano, Schweiz, Postkarte um 1900, koloriert, © Klassik Stiftung Weimar

Blick auf Sils-Maria Richtung Silvaplana /St.Moritz, © Klassik Stiftung Weimar

Landstraße bei Genua, Italien (Postkarte, beschrieben von Elisabeth Förster-Nietzsche), Aufnahme um 1890, © Klassik Stiftung Weimar

Ansicht von Rapallo Richtung Osten, Postkarte, Aufnahme um 1900, © Klassik Stiftung Weimar

Ansicht von der Küste bei Genua, Postkarte um 1900, © Klassik Stiftung Weimar

Blick auf Rapallo, Italien, um 1880, © Klassik Stiftung Weimar

Blick auf die Stadt Sorrent und den Vesuv, Aufnahme um 1890, © Klassik Stiftung Weimar

Ansicht von Sils-Maria, Schweiz, Postkarte um 1910, © Klassik Stiftung Weimar

Nietzsches Reisen. Von Oliven­wäldern und Orangen­bäumen

Seit der Schulzeit war Friedrich Nietzsche mit einer unbeständigen Gesundheit, mit Kopf- und Augenschmerzen, Übelkeit und Schwächeanfällen geschlagen. Ein Zustand, der ihn lebenslang begleitete und sich im Alter noch verschlechterte.

»Sie müssen im nächsten Winter von Basel fort! Sie müssen sich ausruhen unter einem milderen Himmel, unter sympathischen Menschen, wo sie frei denken, reden und schaffen können, was ihre Seele füllt, und wo wahre verstehende Liebe sie umgibt« (Malwida von Meysenbug an Friedrich Nietzsche, 30. April 1876)

1876 zwangen ihn die zunehmenden Leiden zu einer Beurlaubung von seiner Professur an der Universität Basel. Den Winter verbrachte Nietzsche gemeinsam mit der mütterlichen Freundin Malwida von Meysenbug und seinen Schülern Paul Rée und Albert Brenner in Sorrent, im milden Klima am Golf von Neapel. Wie Malwida von Meysenbug überliefert, wurden viele Spaziergänge unternommen, man ging »herrliche Wege in das Gebirge durch Olivenwälder, neben Schluchten, aus welchen hohe Orangenbäume mit goldenen Früchten hervorstehn und auf der Höhe mit entzückenden Aussichten auf Meer, Vesuv usw.« Wenn sich auch Nietzsches Gesundheit in dieser Zeit nicht besserte, so markierte der Winter 1876/77 doch einen wichtigen Wendepunkt in seinem Schaffen: die Abkehr von Wagner und eine Hinwendung zum Positivismus und zum für ihn später typischen Aphorismenstil.

Blick auf die Stadt Sorrent und den Vesuv, Aufnahme um 1890, © Klassik Stiftung Weimar

Blick auf die Stadt Sorrent und den Vesuv, Aufnahme um 1890, © Klassik Stiftung Weimar

»Hochgeachteter Herr Präsident! Der Zustand meiner Gesundheit, derentwegen ich schon mehrere Male mich mit einem Gesuche an Sie wenden musste, lässt mich heute den letzten Schritt thun und die Bitte aussprechen, aus meiner bisherigen Stellung als Lehrer an der Universität ausscheiden zu dürfen.« (Friedrich Nietzsche an Carl Burckhardt, 2. Mai 1879)

Blick auf Lugano, Schweiz, Postkarte um 1900, koloriert, © Klassik Stiftung Weimar

Blick auf Lugano, Schweiz, Postkarte um 1900, koloriert, © Klassik Stiftung Weimar

Nietzsche gab seine Stelle 1879 schließlich ganz auf: das letzte Jahrzehnt vor seinem geistigen Zusammenbruch verbrachte er ruhelos umherreisend, stets auf der Suche nach den für seine Gesundheit besten Bedingungen. Finanziert durch eine kleine Pension der Basler Universität, hielt er sich abwechselnd in der Schweiz, in Italien und Frankreich auf, seltener dagegen in Deutschland.

 »Lieber alter Freund, nun bin ich wieder im Ober-Engadin, zum dritten Male, und wieder fühle ich, daß hier und nirgends anderswo meine rechte Heimat und Brutstätte ist. Ach, was liegt noch Alles verborgen in mir und will Wort und Form werden! Es kann gar nicht still und hoch und einsam genug um mich sein, daß ich meine innersten Stimmen vernehmen kann!« (Friedrich Nietzsche an Carl von Gersdorff, Ende Juni 1883)

Im Sommer bevorzugte Nietzsche das Schweizer Bergklima. In den Jahren 1881 und von 1883 bis 1888 logierte er in Sils-Maria, einem aufstrebenden Luftkurort im Oberengadin, in einem Gästehaus, das heute als ›Nietzsche-Haus‹ ein kleines Museum beherbergt. Der Philosoph hatte in der Schweizer Bergwelt seine »rechte Heimat und Brutstätte« gefunden, eine Gegend die ihm »blutsverwandt« war. Sein zentraler Gedanke der »ewigen Wiederkunft«, der Nietzsche ähnlich einer Vision überkam, entstand in dieser Landschaft. Bereits im Jahr seines Todes 1900 wurde auf der Halbinsel Chasté am Silser See eine Gedenktafel für den großen Denker angebracht.

»Wenn die Sonne scheint, gehe ich immer auf einen einsamen Felsen am Meer und liege dort im Freien unter meinem Sonnenschirm still, wie eine Eidechse; das hat mehrere Male meinem Kopfe wieder aufgeholfen. Meer und reiner Himmel! Was habe ich mich früher gequält!« (Friedrich Nietzsche an Franziska und Elisabeth Nietzsche, 8. Januar 1881)

Ansicht von Sils-Maria, Schweiz, Postkarte um 1910, © Klassik Stiftung Weimar

Ansicht von Sils-Maria, Schweiz, Postkarte um 1910, © Klassik Stiftung Weimar

Im Winter zog es Nietzsche ans Mittelmeer, bevorzugt in die Gegend um Genua und Rapallo sowie gelegentlich nach Nizza. Seit der Fertigstellung des St. Gotthard-Eisenbahntunnels 1881 war die Reise zwischen der Schweiz und der Riviera schnell und mühelos zu bewältigen. Mit der üppigen Landschaft und dem milden mediterranen Klima verband sich die Hoffnung auf Besserung, der Wunsch nach reiner Luft und Wärme. Hier fand er die Inspiration, die er brauchte: In Rapallo schrieb er 1883 den ersten Teil des Zarathustra in wenigen Tagen. Immer wieder findet sich die Natur Italiens in Nietszches Werken, am vielleicht deutlichsten in Form der glückseligen Inseln im zweiten Teil des Zarathustra.

Ansicht von Rapallo Richtung Osten, Postkarte, Aufnahme um 1900, © Klassik Stiftung Weimar

Ansicht von Rapallo Richtung Osten, Postkarte, Aufnahme um 1900, © Klassik Stiftung Weimar

Anlässlich des 170. Geburtstages von Friedrich Nietzsche präsentiert die Klassik Stiftung Weimar vom 8. August bis 18. Dezember 2014 im Goethe- und Schiller-Archiv eine Kabinettausstellung zum Nachlass des Philosophen. In den kommenden Wochen berichten wir hier von kleinen Entdeckungen am Rande der Ausstellung.