Hans Olde in Weimar
Zum 1. April 1902 wurde Hans Olde zum Direktor der Großherzoglichen Kunstschule berufen. Bevor der am 27. April 1855 in Süderau in Holstein geborene Künstler nach Weimar kam, hatte er in München bei Ludwig Löfftz Kunst studiert. Anschließend war er nach Italien und Frankreich gereist, wo er mit dem Impressionismus in Berührung kam. Er zählte zu den ersten Impressionisten Deutschlands und war Gründungsmitglied verschiedener Künstlervereinigungen.
Hans Oldes erster Besuch in Weimar hatte bereits im Jahr 1899 stattgefunden und ihn in das Nietzsche-Archiv geführt, wo er im Auftrag der Zeitschrift PAN ein Portrait von Friedrich Nietzsche anfertigte, das dem Künstler große Anerkennung einbrachte. Auch in Weimar besaß er zahlreiche Unterstützer, darunter den Staatsminister Karl Rothe, der ein wichtiger Ratgeber von Großherzog Wilhelm Ernst war. Für die Berufung Hans Oldes sprachen sich zudem sowohl das Lehrerkollegium als auch der zunächst angefragte Leopold Graf von Kalckreuth aus. Die Berufung wurde endgültig bei einem Diner bei Wilhelm Ernst beschlossen. Der neue Direktor und der Großherzog verstanden sich zunächst gut, wie Hans Olde seiner Frau Margarethe berichtete:
„Er ist mir sehr sympathisch und ich glaube, dass ich auch ihm sympathisch bin, und das ist wichtig, da ich […] einen guten Einfluss auf ihn ausüben soll […].“
Nach seinem Amtsantritt arbeitete Hans Olde zunächst weiter mit dem vorhandenen Personal, um ungestört die Reform der Lehranstalt voranzutreiben. Erst nach und nach wurden in Absprache zwischen dem Direktor und dem Großherzog bedeutende Künstler nach Weimar berufen. Nach dem neuen Lehrplan umfasste das Studium unter anderem das Zeichnen nach Vorbildern, das Lösen malerischer Aufgaben sowie die Ausführung von Gemälden und Entwürfen. Hans Olde war die handwerklich-technische Ausbildung als Voraussetzung der künstlerischen Tätigkeit besonders wichtig. Er veranlasste zudem die Heranziehung von Studierenden bei öffentlichen Bauarbeiten. Die Verbindung von Kunst und Handwerk, die später das Bauhaus propagieren sollte, wurde bereits in der Kunstschule eingeführt, wie auch in der von Henry van de Velde geleiteten Kunstgewerbeschule, mit der eine Kooperation bestand. Hans Olde war zudem Mitglied im Verwaltungsausschuss der Lehranstalt des Belgiers.
Zu den herausragenden Erneuerungen gehörte außerdem, dass Hans Olde 1902 die Zulassung von Frauen zum Kunststudium veranlasste – ein Novum im Deutschen Reich. Im selben Jahr wurde auf Erlaß von Wilhelm Ernst die Kunstschule – die bisher großherzogliche Privateinrichtung war – verstaatlicht und erhielt den Namen Großherzoglich Sächsische Kunstschule. Die Anstalt erlebte aufgrund der Reformen eine neue Hochzeit. Bereits die Berufung des neuen Direktors sorgte für eine steigende Anzahl von Studierenden, von denen sich einige zu sehr erfolgreichen Künstlern entwickelten, darunter Hans Arp, Max Beckmann, Ivo Hauptmann und Otto Illies.
Zweifelsohne war Wilhelm Ernst und seinen Beratern mit Hans Olde ein Glücksgriff gelungen: Seine Berufung wurde sowohl von traditionellen als auch von modernen Kreisen begrüßt. Die Presse war allgemein voll des Lobes für den Direktor. So heißt es in einem Artikel über die Deutsche Ausstellung in Düsseldorf in der „Weimarischen Zeitung“ im September 1902 über den Künstler:
„Wie Recht die Künstlerkreise Weimars haben, Professor Hans Olde mit Stolz an ihrer Spitze zu sehen (…).“
Zwar war Hans Olde oftmals bei Veranstaltungen am Hof anwesend, doch befolgte er damit nicht viel mehr als die gesellschaftliche Konvention. Eine engere Beziehung unterhielt er einzig zu Caroline Reuß‘ älterer Linie, der ersten Frau von Wilhelm Ernst. Auch stammen alle bekannten Gemälde von ihr von Hans Olde. Allerdings starb Caroline nach nicht einmal zwei Jahren in Weimar im Jahr 1905. Das Verhältnis zu Wilhelm Ernst gestaltete sich auf Dauer zudem schwierig, wie Hans Olde seiner Frau Margarethe gestand:
„Und dann diese ewigen und meist ganz unnötigen Schwierigkeiten, die der Grossherzog macht, was haben die mir für Aerger, Aufregung und Mühe gebracht. Selbst die natürlichsten Dinge sind immer nur mit Gewalt durchzubringen. Das hat mich am meisten Nervenkraft gekostet […].“
Trotz der Konflikte schien Wilhelm Ernst mit der Arbeit des Kunstschuldirektors zufrieden zu sein und ließ sich auch mehrmals von ihm portraitieren. Anlässlich der Eröffnung des Neubaus des Großherzoglichen Hoftheaters 1908, bei dem Hans Olde als Berater und Künstler beteiligt gewesen war, erhielt er den Hausorden der Wachsamkeit oder vom Weißen Falken (Ritterkreuz 1. Klasse). Der Salon der großen Hofloge des Theaters wurde mit Portraits von vier Weimarer Großherzögen ausgestattet. Das Gemälde von Wilhelm Ernst wurde von Hans Olde gemalt. Auch war er Mitglied der Kommission zur Ausschmückung des neuen Hauptgebäudes der Universität in Jena, das 1908 eingeweiht wurde. Auf Vorschlag des Weimarer Großherzogs wurde er zudem beauftragt, die Portraits der vier „Nutritoren“ – die Regenten der vier Erhalterstaaten der Hochschule – für die Aula zu malen. Schließlich malte er in kurzer Zeit die Portraits von drei Monarchen, darunter von Wilhelm Ernst.
Am gesellschaftlichen Leben nahm Hans Olde regen Anteil. Er bewegte sich dabei zwischen den verschiedenen Kreisen, die sich mitunter ablehnend gegenüber standen. Als Direktor der Kunstschule war er Teil des „Neuen Weimar“ und als sich im Dezember 1903 unter Mitwirkung Harry Graf Kesslers in Weimar der Deutsche Künstlerbund gründete, wurde Hans Olde Mitglied im Vorstand. Gemeinsam mit Henry van de Velde und Harry Graf Kessler war er auch Vorstandsmitglied in der Gesellschaft der Kunstfreunde in Jena und Weimar. Gleichzeitig trat er aber der Weimarer Ortsgruppe des antimodern ausgerichteten Bund Heimatschutz und dem völkisch orientierten Werdandi-Bund bei.
Auch im Nietzsche-Archiv war Hans Olde ein gern gesehener Gast. Im Frühjahr 1906 malte er im Auftrag von Freunden ein Portrait von Elisabeth Förster-Nietzsche, das die Schwester des Philosophen als Geschenk zu ihrem 60. Geburtstag erhielt. Ein weiteres bekanntes Portrait zeigt die Weimarer Schriftstellerin Adelheid von Schorn. Das Gemälde wurde auf der 3. Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds in Weimar 1906 präsentiert. Anschließend wurde es für das Großherzogliche Museum für Kunst und Kunstgewerbe angekauft aber im Jahr 1908 im Austausch gegen das Gemälde Schnitter abgegeben. 1910 wurde es noch einmal im Museum am Karlsplatz in einer Ausstellung über Weimarer Künstler gezeigt, die im selben Jahr Teil der Münchner- Jahresausstellung im Glaspalast war.
Im Oktober 1910 gab Hans Olde seinem Posten als Direktor auf. Er verblieb noch ein Jahr als Professor an der Lehranstalt, die im Jahr ihres 50-jährigen Bestehens zur Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst erhoben wurde. Zu diesem Anlass wurde Hans Olde noch das Komturkreuz zum Hausorden verliehen. Dennoch veranlassten ihn die dauernden Spannungen und Konflikte den „Hexenkessel“ Weimar zu verlassen und 1911 der Berufung als Direktor der Königlichen Kunstakademie in Kassel zu folgen.
Hans Oldes Zeit in Weimar war eine durchaus erfolgreiche – mit Blick auf seine Arbeit als Direktor und sein Schaffen als Portraitmaler. Landschaftsbilder entstanden in den Weimarer Jahren dagegen weniger, vor allem, weil er durch sein Amt und durch die zahlreichen Aufträge sehr beansprucht wurde. In einem Schreiben an seinen bekannten Richard Hirschfeld in Holstein zog er deswegen auch eine gemischte Bilanz:
„Weimar habe ich immer nur als eine das Leben bereichernde Episode aufgenommen, und unser Leben ist daher hier ein Provisorium geblieben. […] Immer denke ich daher mit Sehnsüchten an ein ruhiges Arbeiten auf Seekamp, wo ich auch meine besten Sachen gemacht habe.“
Der Blogtext basiert auf dem Aufsatz „… eine das Leben bereichernde Episode…“ Hans Oldes Weimarer Jahre (1902–1911) aus dem Katalog „Impressionist des Nordens. Hans Olde“ zur Ausstellung auf Schloss Gottorf, die noch bis zum 20. Oktober 2019 besucht werden kann.