Entwurf der Abdankungsurkunde für Großherzog Wilhelm Ernst, Heinrich Fischer, 9. 11.1918, © Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Großherzogliche Familie 1918, Photoatelier Vältl (Weimar), © Klassik Stiftung Weimar, Bestand Museen

Großherzog Wilhelm Ernst dankt ab

Auf dem Linienschiff SMS Thüringen, das Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach 1909 getauft hatte, begann im Zuge der letzten Wehen des Ersten Weltkrieges am 30. Oktober 1918 die Revolution. Deutschlandweit bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte.

Im Lokal Bürgerhof konstituierte sich am 9. November 1918 nachmittags ein Arbeiter- und Soldatenrat für Weimar. Unmittelbar anschließend entwarf Heinrich Fischer, der Redakteur der sozialdemokratischen Volkszeitung, den Text der Abdankungsurkunde für Großherzog Wilhelm Ernst. Diese legte eine Delegation der Soldaten um 16.30 Uhr Mitgliedern der großherzoglichen Regierung in den Räumen des Kultusdepartements im Roten Schloss vor.

Es wurde ein Ultimatum bis zum Abend gestellt, woraufhin sich die Regierungsmitglieder zum Großherzog in das Residenzschloss begaben und ihm übereinstimmend zur Abdankung rieten.

Der Großherzog redigierte den Entwurf noch persönlich und strich die Worte »wie der Bürger« (ThHStAW, Urkunden, 1918 November 9), da seiner Meinung nach aus dieser Schicht keine Forderung nach seiner Abdankung kam. Weiterhin löschte er »bisherigen« vor der Staatsbezeichnung »Großherzogtum« (ebd.).

Gegen 20 Uhr unterzeichnete Wilhelm Ernst sowohl eine kanzleimäßige Abdankungsurkunde als auch den Entwurf.

Eine Stunde später begaben sich Staatsminister Karl Rothe, Oberhofmarschall Hugo von Fritsch und Oberstallmeister Paul von Anderten in den Weißen Schwan, um mit dem Arbeiter- und Soldatenrat Garantien für die Sicherheit der großherzoglichen Familie auszuhandeln. Die Forderungen des Oberhofmarschalls wurden in zwei Schriftstücken fixiert, die dann von den versammelten Mitgliedern des Arbeiter- und Soldatenrats abgezeichnet und Fritsch ausgehändigt wurden. Danach übergab Rothe die Abdankungsurkunde an den sozialdemokratischen Reichstags- und Landtagsabgeordneten August Baudert.

Damit war in den Abendstunden des 9. November 1918 die Abdankung von Großherzog Wilhelm Ernst als erstem der thüringischen Fürsten vollzogen.

Die Ausfertigung der Abdankungsurkunde gilt als verloren. Um der Konfrontation mit revolutionären Kräften aus dem Weg zu gehen, verließ die großherzogliche Familie dann das Stadtschloss sowie die Residenzstadt und hielt sich auf Schloss Allstedt auf, das 60 km nördlich von Weimar liegt. Der zukünftige Wohnort aber war Schloss Heinrichau (Henryków) in Schlesien, südlich von Breslau.

Am 10. November 1918 unterzeichneten Deutschland und die Westmächte den Waffenstillstand. Die Abdankung des Großherzogs läutete das Ende der Monarchie in Thüringen ein und wurde damit zur Voraussetzung für das 1920 gegründete Land Thüringen.

Ein Artikel von Bernhard Post, Archivdirektor, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar aus dem Katalog zur Ausstellung »Krieg der Geister. Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914«.

Ausstellung »Krieg der Geister. Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914« | 1. August bis 9. November 2014 | Neues Museum Weimar