Georg Hoefnagel(?) (1542–1600) nach Albrecht Dürer (1471–1528), Feldhase, Aquarell und Gouache auf Kalbspergament, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlungen der Museen

Francesco Putinati (1775–1848), Giuseppe Bossi, 1818, Bronzemedaille, Klassik Stiftung Weimar, Kunstsammlungen der Museen: aus Goethes Besitz

Das Rätsel um den Weimarer »Dürer-Hasen«

Im Sommer 1817 reiste Großherzog Carl August nach Oberitalien und erwarb dort eine Auswahl von Werken aus dem Nachlass des mailändischen Malers Giuseppe Bossi (1777‒1815). In den Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar sind heute etwa 100 Zeichnungen Giuseppe Bossis dieser Provenienz überliefert.

Unter den von Großherzog Carl August erworbenen Werken sticht ein auf Pergament gezeichneter »Feldhase von Dürer« hervor. Von Carl August, so die Archivquellen, wurde diese wertvolle Zeichnung als »echter Dürer« gekauft.

Aber handelt es sich tatsächlich um ein Werk von Albrecht Dürer (1471‒1528)?

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt man den »Weimarer Dürer-Hasen« nicht mehr für eine eigenhändige Arbeit des Meisters und schrieb die Zeichnung Hans Hoffmann (1530‒1591), später dann Georg Hoefnagel (1540‒1600) zu. Auch diese Zuschreibungen werden seit einiger Zeit nicht mehr anerkannt. Von wann und von wem ist aber der schöne »Weimarer Dürer-Hase«?

Könnte es sich um eine Kopie von Giuseppe Bossi selbst handeln?

Mehrfach hat sich die Forschung über Bossis Talent als Kopist geäußert. Bisherige restauratorische Untersuchungen lassen allerdings keine Aussagen über die Entstehungszeit der Zeichnung zu. Gegen die Hypothese, dass es sich um eine Kopie von Bossi handelt, sprechen wichtige Hinweise des Dürer-Experten Christof Metzger, Albertina in Wien: Der einzige »Dürer-Hase«, der bis weit ins 19. Jahrhundert der Öffentlichkeit überhaupt bekannt war und lange Zeit auch als das Original Dürers galt, ist die Kopie eines anonymen Münchners in der Gemäldegalerie Dresden, wo Giuseppe Bossi nie gewesen ist. Zudem war der »Dürer-Hase« zur Goethe-Zeit nur wenig populär, da Dürers Zeichnungen damals schwer zugänglich waren. Wer ist nun der Schöpfer des Weimarer »Feldhasen« aus Bossis Besitz? Die Graphischen Sammlungen Weimar arbeiten weiter an des Rätsels Lösung.

Serena Zanaboni

Die gebürtige Mailänderin Serena Zanaboni war u.a. tätig für die Graphischen Sammlungen des Musée du Louvre, das Istituto Lombardo di Scienze e di Lettre, Mailand, und das Städel Museum, Frankfurt. Seit 2012 arbeitet sie für die Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar. 2014 erhielt sie für ihre Forschungsarbeit zu den Weimarer Erwerbungen aus Giuseppe Bossis Nachlass den Dr.-Heinrich-Weber-Preis.

Den Weimarer »Dürer-Hasen« und weitere teils noch nie gezeigte Werke aus dem Nachlass Bossis präsentiert die Klassik Stiftung am »Wochenende der Graphik 2014«, 8. und 9. November 2014, in den Studiensälen des Goethe-Nationalmuseums.

Die Bestände der Graphischen Sammlungen können daneben stets nach Voranmeldung von Dienstag bis Freitag in der Benutzerabteilung des Goethe-Nationalmuseums oder im Sonderlesesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek eingesehen werden.