Zuckergemmen aus Goethes Besitz, gefertigt vom Weimarer Hofkoch René François le Goullon © Klassik Stiftung Weimar

Antinoos-Büste aus Martin Gottlieb Klauers Kunst-Fabrik, um 1800. Gefertigt aus beschriebenem und bedrucktem Papier © Klassik Stiftung Weimar

Majolika-Teller mit Herakles und Omphale, um 1555 © Klassik Stiftung Weimar

Eine Kultur des Sinnlichen

Oft verbindet man mit der Weimarer Klassik literarische, kunsthistorische und geschichtsphilosophische Werke. Eine bisher eher in den Hintergrund gerückte Dimension, die Weimarer Klassik als eine Kultur des Sinnlichen, präsentiert die Klassik Stiftung ab 16. März im Schiller-Museum. Die vier Kuratoren Dr. Christiane Holm, Dr. Sebastian Böhmer, Veronika Spinner und PD Dr. Thorsten Valk lenken den Blick auf Kunst-, Natur- und Alltagsgegenstände der Klassikerzeit – ausgehend von der materiellen Kultur unter den Aspekten Wohnen, Sammeln und Schreiben. Christiane Holm: »Wir möchten uns den Handhabungen, den Kulturpraktiken nähern und arbeiten ganz dicht an den Objekten selbst. Wir untersuchen die Schnittstellen, in denen sinnliche Erfahrungen einen Mehrwert im Hinblick auf ästhetische Erkenntnisse oder auch wissenschaftliche Einsichten bringen.«

Statt ausführlicher Beschreibungstexte direkt neben den Exponaten erhält der Besucher ein Booklet, das ihn durch die Ausstellung begleitet. In jeder der drei Sektionen Wohnen, Sammeln und Schreiben ist zudem jeweils eine Hands–on Station bereitgestellt, an der ein Gegenstand haptisch wahrgenommen werden kann. Es reicht jedoch nicht, diese Gegenstände bloß in die Hand zu nehmen. Man muss sich Zeit nehmen, um sie zu erschließen. So kann der Besucher beispielsweise Goethes Modell der vier Seelenvermögen in der eigenen Hand erfassen und das Faksimile eines kleinen Schreibkalenders, in dem Goethe die Marienbader Elegie während einer Kutschfahrt notierte und immer wieder die Schreibrichtung änderte, durchblättern.

Alle anderen Objekte sind in der ihnen konservatorisch gemäßen Form in Vitrinen präsentiert. »Alte Bekannte«, so Christiane Holm, »wie die Mirabellenschachtel von Goethe sind in der Ausstellung zu sehen.« Aber auch viele bisher nicht ausgestellte Exponate werden erstmals gezeigt. Dazu gehören die hauchdünnen, essbaren Zuckergemmen, Abgüsse von Ringsteinen, in verschiedenen Geschmacksrichtungen, die Herzogin Anna Amalias Koch entwickelt hatte und in großen Mengen exportierte. Ein Schmuckstück unter den frisch restaurierten Objekten ist ein Mahagoni furnierter Münzschrank, der, wie die Provenienzforschung ergeben hat, aus dem Goethebestand kommt. Das Study-Bed, ein eindrucksvoll wandelbares Möbelstück aus der Ausstattung des Fürstenpaares Friedrich II. und Louisa von Schwarzenburg-Rudolstadt, bildet einen weiteren Blickfang in der Ausstellung. Das um 1790 gefertigte Multifunktionsbett verbindet Arbeit und Erholung. Nach klaren Formprinzipien gestaltet, ist es Bett, Schreibtisch, Kanapee und Schrank zugleich. Ein überraschender Fund ist dem vierköpfigen Kuratorenteam mit einem Spazierstock Goethes gelungen. Laut den Archivalien ist dieser aus dem Holz der letzten Palme der Akropolis für Goethe geschnitzt worden. »Goethe konnte durch Weimar laufen und sich immer am letzten Palmzweig der Akropolis festhalten«, kommentiert Christiane Holm.

Eine speziell für die Ausstellung entwickelte 3-D-Präsentation zeigt die fortlaufende Veränderung in Goethes Wohnhaus zu dessen Lebzeiten. Goethe nahm Umbaumaßnahmen vor, arrangierte seine stets wachsende Sammlung immer wieder neu und veränderte Wandfarben. Mittels einer realitätsnahen Darstellung der Materialqualitäten in der Präsentation kann der Besucher sehr anschaulich die fortwährende gestalterische Bewegung in Goethes Wohnhaus nachempfinden.

Wie Goethes Modell der vier Seelenvermögen zeigt, wies er der Sinnlichkeit die Farbe Grün zu und nutzte sie für sein Arbeitszimmer. Auch sein Freund Schiller entschied sich auf Anraten Goethes für die Wandfarbe Grün in seiner Studierstube. Daher spielt in der Ausstellungsgestaltung Grün eine wichtige Rolle. »Was für eine Körperhaltung nehme ich ein, wenn ich schreibe? Welche Farbe hat die Tapete und was macht es mit mir, wenn sie grün ist? Würde ich anders schreiben, wenn sie rot wäre? – All das sind elementare Momente dieser Kultur des Sinnlichen, die uns interessieren.«, so Christiane Holm.

Von Elisa Zimmer