Ein satirisches Meisterwerk
Mit lebhafter Geste schwingt der imposante Dirigent seinen »Taktstock« und gibt mit erhobenem linken Arm seinen Musikern das Zeichen zum Einsatz. Der Klavierspieler, auf einem Äffchen reitend, lässt die Hände über den Tasten schweben. Trompeter, Flötist und Klarinettist heben ihre Instrumente in Erwartung des Signals. Die Paukenschläger, Trommler, die erste Geige und die zwei Sängerinnen komplettieren das ausdrucksstarke und farbenfrohe Ensemble.
Die Affenkapelle gehört zum Genre der Singerien. Der Begriff leitet sich ab vom französischen Wort singe (dt.: „Affe“) und war ein überaus beliebtes Sujet in der Malerei. In allegorischen Genreszenen imitieren Affen menschliches Verhalten, wobei das Hauptaugenmerk auf der Darstellung der oft parodistisch in Szene gesetzten menschlichen Schwächen liegt.
Der Ursprung der komischen Szenen mit Affen in menschlicher Kleidung und Umgebung geht zurück auf die flämische Malerei des 16. Jahrhunderts und entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert weiter fort. Die französischen Künstler griffen im frühen 18. Jahrhundert das Thema auf, dessen Beliebtheit um die Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Im französischen Rokoko wurden ganze Räume mit Singerien ausgestattet und analog zu den Chinoiserien zierten sie nicht nur Wände und Decken, sondern auch Porzellan, Textilien und Möbel, wie es der Ebenist André-Charles Boulle tat.
Einer der bedeutendsten Schöpfer dieser originellen Raumprogramme mit satirischem Einschlag war der Tiermaler Christophe Huet, der verschiedene Häuser in Paris ausstattete. Seine heitere und elegante Gestaltung eines Salons im Schloss von Champs, welchen er für Madame de Pompadour dekorierte, und die Raumdekorationen mit gemalten »Äffereien« im Schloss von Chantilly nördlich von Paris stellen den Maler in die Reihe der besten Dekorationsmaler des Rokoko.
In all seinen Gemälden bildet er traditionelle Chinoiserien ab, die von Menschen imitierenden Affen begleitet werden. Mehrere Ensembles im Stil des Rokoko sind erhalten, wie unter anderem das kleine Affenkabinett aus dem Jahr 1737. Die grafischen Umzeichnungen dieser Gemälde wurden durch den Maler und Kupferstecher Jean-Baptiste Guélard, der zwischen 1733 bis 1748 in Paris tätig war, in mehreren Folgen angefertigt.
Die 26 Stichfolgen der »Singeries ou differentes actions de la vie humaine représentes par des singes…« aus dem Jahr 1741/42, gestochen von Guélard nach den Zeichnungen von Huet, fanden ihren Weg auch in die Hände des Meißner Porzellanmodelleurs Johann Joachim Kändler, der daraus die ersten Vorlagen für sein Orchester-Ensemble erarbeitete.
Die ursprünglich aus 21 Figuren bestehende Kapelle ist ein Meisterwerk des klassischen Barock und wurde von ihm Anfang der 1750er Jahre in der Meißner Porzellanmanufaktur modelliert. Gemeinsam mit Peter Reinicke überarbeitete er die Figuren nochmals und schuf damit ein heiteres, satirisches Werk. Jede Figur zeigt ihre Originalität durch eine individuelle Ausdrucksweise und eine detailreiche, farbenfrohe Bemalung.
Die Meißner Affenkapelle gelangte sehr schnell zurück nach Paris, bereits im Dezember 1753 kaufte Madame de Pompadour eine der ersten Ausformungen. Die heitere Eleganz der Figuren und deren augenzwinkernde Andeutungen haben auch zu unserer Zeit nichts von Ihrer Anziehungskraft verloren. Das Ensemble kann bis heute in der Meißner Porzellanmanufaktur erworben werden.
Im herzoglichen Sammlungsbestand der Klassik Stiftung Weimar befinden sich 11 Figuren eines Ensembles, das auf die ersten Modellentwürfe Kändlers aus den 1750er Jahren zurückgeführt werden kann und Mitte des 19. Jahrhundert neu ausgeformt wurde. Sie sind ein besonderes Highlight des diesjährigen Porzellantages am 8. und 9. April 2017 und können in Schloss Belvedere besichtigt werden. An diesen beiden Tagen findet dort zudem von 14 bis 15:30 Uhr die Führung »Tafelkultur zur Zeit des Rokoko und Klassizismus« statt.