Ausstellung in Kriegszeiten
In diesem Jahr begeht die Klassik Stiftung Weimar mit einer Ausstellung und einer Vielzahl an Veranstaltungen den 200. Geburtstag von Großherzog Carl Alexander (1818–1901). Auch im Jahr 1918 wurden aus Anlass des 100. Geburtstags umfangreiche Feierlichkeiten ausgerichtet. Die Voraussetzungen waren allerdings völlig andere: Weimar war Residenzstadt des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Als Bundesstaat des Deutschen Reichs befand man sich im vierten Jahr des Ersten Weltkriegs. Für den regierenden Großherzog Wilhelm Ernst (1876–1923) war dies jedoch kein Grund, auf Feierlichkeiten zu verzichten. Im Gegenteil: Der Geburtstag seines verstorbenen Großvaters wurde für die Kriegszeit vergleichsweise groß zelebriert, unter anderem mit einer Ausstellung im Großherzoglichen Museum. Dies war zudem kein Einzelfall im Ersten Weltkrieg: Bereits im Jahr 1915 war die 100 Jahre zuvor erfolgte Erhebung Sachsen-Weimar- Eisenachs zum Großherzogtum gefeiert worden. Die dynastischen Jubelfeiern sollten in den Kriegszeiten die Verbundenheit zwischen Bevölkerung und Herrscherhaus stärken. Der 100. Geburtstag von Carl Alexander war dafür bestens geeignet: Der ehemalige Großherzog war allseits beliebt und respektiert – vor allem aufgrund seiner Förderung von Kunst, Literatur, Musik und Wissenschaft.
Wilhelm Ernst veranlasste am 22. Dezember 1917, dass der 100. Geburtstag seines Vorgängers im darauffolgenden Jahr gefeiert werden sollte. Auf das genaue Programm wollte man sich aufgrund der Kriegszeit aber noch nicht festlegen. Am 8. Februar 1918 entschied der Enkel des Jubilars schließlich, dass das Ereignis mit einer Reihe von Veranstaltungen begangen werden sollte: Feiern in Kirchen und Schulen, eine Feier an der Universität in Jena, eine allgemeine Gedenkfeier in Weimar und eine Festaufführung im Großherzoglichen Hoftheater. Zudem wurden gleich zwei Ausstellungen gezeigt. Weil der Thüringer Ausstellungs-Verein bildender Künstler im Donndorf-Museum Werke verstorbener Weimarer Maler präsentierte, sahen sich auch die Behörden veranlasst eine große Ausstellung zu Carl Alexander zu zeigen:
»Hinter diesem Unternehmen wird die Großherzogliche Staatsregierung nicht zurückstehen dürfen.«
Bereits im Juli 1917 hatte Archivdirektor Armin Tille den Plan einer dynastischen Ausstellung zu Papier gebracht. In seinem Schreiben an das Großherzogliche Staatsministerium verwies er auf einen passenden Anlass und die Ziele, die mit einer derartigen Ausstellung verbunden waren:
»Ein solches Ereignis würde der 100. Geburtstag des Großherzogs Karl Alexander am 24. Juni 1918 sein, und eine (…) Ausstellung dürfte nicht nur möglich, sondern auch geeignet sein, weiteren Kreisen das Bild des Herrschers näher zu bringen und der Verehrung für das angestammte Fürstenhaus Ausdruck zu verleihen.«
Unter der Leitung von Oberhofmarschall Hugo Freiherr von Fritsch wurde im Auftrag von Wilhelm Ernst schließlich eine Kommission einberufen, der Kunstschuldirektor Fritz Mackensen, Archivdirektor Armin Tille und Bibliotheksdirektor Werner Deetjen angehörten. Die Auswahl der Verantwortlichen zeigt, dass eine umfassende kulturhistorische Ausstellung geplant war. Und tatsächlich: Trotz der politisch schwierigen Situation und der Ressourcenknappheit im vierten Kriegsjahr wurden vom 24. Juni bis zum 15. Oktober 1918 über 550 Exponate im Großherzoglichen Museum gezeigt, unter anderem Gemälde, Plastiken, Fotografien, Dokumente und Münzen.
Unter den Portraits befanden sich Darstellungen des Jubilars und von Mitgliedern des großherzoglichen Hauses, darunter Carl Alexander als Knabe von Julie Gräfin Egloffstein. Zudem wurden aber auch eine Vielzahl von Bildnissen von Monarchen, Politikern, Künstlern und Literaten gezeigt, die im Leben des einstigen Großherzogs von Bedeutung waren. Zu sehen war auch eine Auswahl von Gemälden aus der Ehrengalerie, die Carl Alexander zu seinem 80. Geburtstag erhalten hatte, unter anderem die Gemälde Salambo von Carl Strathmann und Schnitter von Leopold Graf von Kalckreuth.
Außerdem wurden viele Werke der »Weimarer Malerschule« ausgestellt. Zwar stand Carl Alexander der Landschaftsmalerei distanziert gegenüber, aber weil er großen Wert auf die Freiheit der Künste legte, ließ er deren Entwicklung an seiner Kunstschule zu. Die Weimarische Zeitung und die Weimarische Landeszeitung Deutschland berichteten in ihren Blättern – die rund um das Jubiläum eine Vielzahl von Artikeln zu Carl Alexander enthielten – ausführlich über die Ausstellung. Die Weimarische Landeszeitung Deutschland empfahl ihren Lesern ganz ausdrücklich, sich diese anzusehen:
»Die Ausstellung ist so bedeutend in ihrer Art, daß jedem Gebildeten der Besuch zu empfehlen ist.«
Begleitend zur Ausstellung wurde eine reich ausgestattete und für damalige Verhältnisse umfangreiche Gedenkschrift angefertigt. Enthalten sind drei Aufsätze über Carl Alexander, das komplette Exponateverzeichnis, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Abbildungen einiger Ausstellungsstücke. Die künstlerische Verzierung stammt ebenso wie das Ausstellungsplakat vom Weimarer Kunstschüler Max Thalmann (1890–1944), der später für den Eugen Diederichs Verlag in Jena arbeitete. Das Buch erschien in einer Auflage von 2.000 Stück und wurde im Handel für 4 Mark (broschiert) beziehungsweise 5,50 Mark (gebunden) verkauft. Die Ausstellung und die Gedenkschrift waren zwar auch als Grundlage zur Forschung gedacht, dienten aber vorwiegend der Würdigung des Jubilars und besaßen keinen wissenschaftlich-kritischen Anspruch. In der Einleitung steht:
»Wird das Ausstellungsverzeichnis vielleicht noch spät für die Forschung ein wertvoller Wegweiser sein, so ist es in erster Linie doch ein Denkmal für den Großherzog Carl Alexander (…).«
Die Rede von Wilhelm Rein, dem Prorektor der Universität Jena, anlässlich der Festvorführung am 24. Juni 1918 im Großherzoglichen Hoftheater, schlug in die gleiche Kerbe: Er würdigte die Verdienste von Carl Alexander ausführlich, vor allem die Förderung von Kunst, Bildung und Wissenschaft. Außerdem betonte er die Bedeutung der »Kleinstaaten« für das Deutsche Reich. Obwohl er in seiner Rede eigentlich über die Regierungsjahre von Carl Alexander sprach, war das Thema in Zeiten von wachsendem Nationalismus und zunehmendem Zentralismus von Aktualität. Für Wilhelm Rein stand die Existenzberichtigung der »Kleinstaaten« allerdings außer Frage:
»Durch das eigenartige Leben, das sie entwickeln, müssen sie auch dem größten Zweifler dartun, daß sie notwendige Glieder des größeren Ganzen sind (…).«
Auf dem Spielplan standen an diesem Abend der Huldigungsmarsch von Franz Liszt, Szenen aus Johann Wolfgang von Goethes Faust und der erste Akt aus Richard Wagners Lohengrin. Unabhängig vom aktuellen Zeitgeschehen war das Programm also ganz auf Carl Alexander angepasst. Die Weimarische Zeitung berichtete von dem Abend und lobte vor allem das Auftreten des Publikums:
»Nirgends aber aufgetragener Prunk und schreiender Glanz: die Zeit leidets nicht. Aber Schmuck und Haltung überall hinreichend, um den Alltag zu verscheuchen.«
Wenige Tage vor der Schließung legte die Weimarische Zeitung ihren Lesern noch einmal ans Herz, die »sehenswürdige Ausstellung« zu besuchen. Als diese am 15. Oktober 1918 schließlich endete, ahnten wohl nur wenige, dass Carl Alexanders Enkel wenige Wochen später nicht mehr regieren würde. Aber die Verdienste von Großherzog Wilhelm Ernst – unter anderem die Reform der Kunstschule und der Bau des Großherzoglichen Hoftheaters – beziehungsweise die seines Vorgängers, die in der Ausstellung, der Gedenkschrift und den Veranstaltungen noch einmal allen vor Augen geführt wurden, spielten für die Revolutionäre mit ihrer Forderung nach einem Ende der Monarchie keine Rolle mehr. Diese Erfahrung musste auch Bruno Wollbrück machen, der die Gedenkschrift verlegt hatte. Weil diese erst kurz vor Ausstellungsende erschienen war, konnten nur 179 Exemplare abgesetzt werden. Der Verleger beschwerte sich deswegen Ende November beim Hofmarschallamt und verhandelte wegen eines neuen Vertrags. Die Gedenkschrift für Großherzog Carl Alexander erfreute sich in den Tagen der Revolution schlicht keiner Beliebtheit mehr:
»Der Katalog ist heute so gut wie unverkäuflich.«
Ab 4. Mai ist im Stadtschloss Weimar die Ausstellung »Chrysantheme und Falke. Carl Alexander und Japan – Weimar, Jena und Tokyo« zu sehen. Kuratiert wird die Schau von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Klassik Stiftung Weimar und dem Landesarchiv Thüringen.
Die Dynastische Memorialpolitik von Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach ist Teil der Dissertation des Autors mit dem Titel »Übergangsfürsten. Legitimationsstrategien der letzten Generation ernestinischer Monarchen«, die an der Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens an der Friedrich-Schiller-Universität Jena entsteht.