Heinrich Reinhold –
Der Landschaft auf der Spur
»Unter den jungen Landschaftsmalern steht Reinhold ohne Zweifel an der Spitze«
(Julius Schnorr von Carolsfeld an
Johann Gottlob von Quandt, 19. Mai 1824)
Heinrich Reinhold, geboren vor 230 Jahren, stammt aus einer Geraer Künstlerfamilie. Schon früh unterrichten ihn sein Vater, der Porträtmaler Johann Friedrich Leberecht Reinhold, sowie sein älterer Halbbruder Friedrich Philipp im Zeichnen. Nach Studienaufenthalten an den Kunstakademien in Dresden und Wien geht Reinhold 1809 auf Empfehlung von Benjamin Zix nach Paris, um im Auftrag von Baron Vivant Denon, der zentralen Figur napoleonischer Kunstpolitik, Napoleons europäische Feldzüge in großformatigen Radierungen festzuhalten. Für den begabten jungen Künstler ist dies eine einmalige Chance, im Zentrum der europäischen Kunst seine künstlerische Ausbildung voranzutreiben. Fünf Jahre beschäftigt ihn das Projekt der »Campagnes de Napoleon«, das neben der kleinteiligen, zeit- und kräfteintensiven Tätigkeit des Radierens nur wenig Zeit für das erhoffte Kunst- und Naturstudium lässt. Innerlich zieht es den jungen Maler hinaus in die Natur: »Auch treibt mich mein Gemüth zur Landschaft«, schreibt er 1813 an seinen Bruder Gottfried.
Nach dem Sturz Napoleons 1814 kehrt Reinhold nach Wien zurück und widmet sich intensiv der Landschaftsmalerei. Gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich Philipp und befreundeten Malern unternimmt er Studienreisen in die Schneeberggegend, das Salzkammergut und das Berchtesgadener Land. Die Gebirge waren um 1800 vermehrt ins Interesse der Künstler gerückt, die sich vor Ort mit neusten naturwissenschaftlichen Fragestellungen befassen wollten. Diese Wanderungen und Expeditionen inspirieren Reinholds Malerei der folgenden Jahre, die intensiven Naturstudien dienen ihm als Vorlage zahlreicher seiner Gemälde.
Im Oktober 1819 erfüllt sich Reinhold einen langgehegten Wunsch und reist zusammen mit seinem Künstlerfreund Johann Christoph Erhard nach Rom. Dort wohnt er bei dem aus Hamburg stammenden Maler Johann Joachim Faber und findet schnell Anschluss im deutschrömischen Künstlerkreis. Fünf Jahre lebt und arbeitet er dort, bereist verschiedene Regionen Italiens und hält seine Eindrücke stets in Landschaftsstudien fest.
Unter dem Eindruck südlicher Gefilde blüht Reinholds künstlerisches Schaffen auf. In motivischer Vielfalt hält er präzise Studien von Naturdetails, Stadt- und Hafenansichten bis hin zu wirklichkeitsnahen Landschaftsdarstellungen als Bleistift- und Federzeichnungen sowie Ölstudien fest. Viele seiner Skizzen sind mit ausführlichen Farbangaben und Datumsnotizen versehen. Die genaue Beobachtung und das Notieren von Licht- und Wetterverhältnissen begründen eine neue Sicht auf die Landschaft und zeugen von einem gewandelten Darstellungsinteresse einer jüngeren Malergeneration in Italien.
Ein Großteil seiner Zeichnungen und Ölstudien der italienischen Schaffensperiode entsteht in Olevano und Umgebung, wo er mehrfach die Sommermonate in Begleitung der Künstlerfreunde Erhard, Faber oder Carl Wilhelm Götzloff verbringt. Um 1803 vom Maler Joseph Anton Koch künstlerisch entdeckt, avanciert das östlich von Rom in den Sabiner Bergen gelegene Dorf schnell zu einem »Hotspot« unter den Deutschrömern und gilt als Inspirations- und Experimentierquelle. Olevano bietet eine unberührte, motivisch reizvolle Landschaft mit dem Wechsel von Ebenen und Hügeln, Wäldern sowie dem umliegenden Sacco-Flusstal mit freiem Blick auf den Meereshorizont zwischen den Bergen, die auch Reinhold fasziniert. Häufig wandert er ins benachbarte Gebirgsdorf Civitella oder sucht den nahegelegenen Eichenwald der Serpentara auf, um nach der Natur zu zeichnen. Hier hält er das verschachtelte Häuserkonglomerat Olevanos oder den Blick auf die weitläufige Ebene der Campagna fest. Auch seine ersten Ölstudien entstehen dort.
Während im frühen 19. Jahrhundert viele der auf italienischem Boden tätigen französischen Landschaftsmaler bereits in Öl vor dem Motiv malen, beschränken sich die deutschen Künstler meist auf das Zeichnen in der freien Natur. Reinhold praktiziert beide Techniken. So schafft er kleinteilige Bleistiftstudien von kristalliner Schärfe und greift zugleich zum Pinsel, um in farblicher Hinsicht auf den momentanen Natureindruck reagieren zu können.
Reinholds Ölstudien sind in ihrer direkten Erfassung von Licht und Atmosphäre der Landschaft wegweisend für die Freilichtmalerei und in ihrer Qualität maßgebliche Anregung für den deutsch-römischen Künstlerkreis. Sie verhelfen ihm zu neuen Aufträgen und finden namhafte Abnehmer, die die Bedeutung von Reinholds Landschaftswerk früh erkennen. Zu ihnen zählt beispielsweise der Berliner Architekt Karl Friedrich Schinkel, der Reinhold 1824 in dessen Atelier in Rom besucht und mehrere seiner Arbeiten erwirbt. Begeistert schreibt er am 28. Oktober 1824 an seine Frau Susanne:
»Für dich und für mich habe ich denn im eigentlichsten Sinne etwas Wirkliches von Kunst mitgebracht, welches an sich selten, ja einzig ist und dazu die Erinnerung der Reise auf immer zu halten im Stande ist. Es sind die Studien, welche der jetzt in Rom anwesende talentvollste junge Landschafter Reinhold an Ort und Stelle von mehreren Punkten um Neapel und Rom in Oelfarben auf Papier und in sauberen Zeichnungen gemacht hat, 12 Farbenskizzen, von denen die mehrsten aber wirkliche kleine Bildchen machen und 4 Bleistiftzeichnungen. […].«
So »etwas Wirkliches von Kunst«, wie Schinkel in seinem Brief schreibt, war dem »talentvollen jungen Landschafter« Heinrich Reinhold nicht mehr lange zu schaffen vergönnt. Seine Lebensreise endet in Italien – mit nur 36 Jahren stirbt er im Januar 1825 an Luftröhrenschwindsucht in Rom.
Die gemeinsame Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar und der Hamburger Kunsthalle ist die erste umfassende Retrospektive des Künstlers. Anhand von rund 120 Werken zeichnet sie Reinholds sämtliche Schaffensperioden nach und zeigt so die Spannbreite seines zeichnerischen und malerischen Œuvres auf. Die Klassik Stiftung Weimar erhielt 2010 die Gelegenheit, einen großen Teil des umfangreichen Nachlasses von Heinrich Reinhold zu erwerben, der neben frühen Arbeiten eindrucksvolle Gemälde, Ölstudien und eine Vielzahl seiner in Italien entstandenen Zeichnungen umfasst. In der Hamburger Kunsthalle befindet sich mit zwölf Ölstudien und Gemälden der größte museale Bestand an malerischen Werken Reinholds. Das dortige Kupferstichkabinett verwahrt zudem eine große Zahl von Zeichnungen. Hinzu kommen weitere zentrale Leihgaben bedeutender Museen.
Die Ausstellung »Heinrich Reinhold – Der Landschaft auf der Spur« ist vom 7. Dezember 2018 bis 10. März 2019 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.