Carl Alexander und Japan
Im Jahr 1867 bestieg Mutsuhito unter der Regierungsdevise »Meiji« – aufgeklärte Herrschaft – den japanischen Chrysanthementhron. Obwohl der Tenno zu dieser Zeit kaum politischen Einfluss besaß, war er ein wichtiges Symbol der Einheit und der Öffnung Japans. In seinem Namen wurde das Land durch die westlich orientierten Eliten der Meiji-Oligarchie grundlegend reformiert. Die 1868 verkündete Eidescharta der Fünf Artikel (Charter Oath) bildete dafür die politische und philosophische Grundlage. Sie dokumentiert den Willen des Tenno und seiner Staatsbeamten zum politischen Neuanfang, zum Lernen von Fremden und zur Wahrung der nationalen Unabhängigkeit Japans. In Artikel fünf waren Quelle und Zielrichtung der weiteren Entwicklung konkret festgelegt:
»Wissen soll aus allen Teilen der Welt erworben werden, um die Grundlage der kaiserlichen Herrschaft zu stärken.«
Unter diesem Vorsatz präsentierte sich Japan 1873 erstmals auf der Weltausstellung in Wien. Der japanische Garten mit Gartenhaus erwies sich als einer der Ausstellungsmagnete. Auch Carl Alexander war im Gefolge des deutschen Kaisers Wilhelm I. und Bismarcks zugegen und kam so erstmals in direkten Kontakt mit der japanischen Kultur. Der Großherzog mit seiner Vorliebe für Fremdsprachen und ferne Länder hatte sich schon vorher sehr für das Land der aufgehenden Sonne interessiert, was durch seine Erfahrungen auf der Weltausstellung vermutlich noch verstärkt wurde.
Über eine hochrangige japanische Delegation, die ebenfalls in Wien anwesend war, entstanden erste Kontakte zum Tenno. Dies markierte den Beginn einer engen Beziehung zwischen dem Großherzog und dem Meiji-Kaiser, die auf Wirtschaft, Verwaltung und Kultur beider Länder ausstrahlte. Carl Alexander ermöglichte japanischen Beamten einen Erfahrungsaustausch mit seinen Weimarer Behörden, besonders auf dem Finanz-, Militär- und Bildungssektor. Als Landesvater wusste Carl Alexander die Verbindungen nach Japan klug zu nutzen, indem er gezielt Kunstgegenstände erwarb, die seine Sammlungen und Ausstellungen bereicherten und teilweise als Mustervorlagen für die Handwerker im Großherzogtum dienten. Auch als möglicher neuer Markt spielte das ferne Japan eine Rolle.
Um 1880 stieg die Zahl der Deutschen im Land der aufgehenden Sonne sprunghaft an, wozu auch junge Männer aus Thüringen beitrugen, die ihre berufliche Karriere in Japan begannen. Da dem Großherzog die Verbreitung deutscher Kultur und christlicher Werte besonders am Herzen lag, übernahm er das Protektorat über den 1884 in Weimar gegründeten Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsverein. Dieser trug maßgeblich zur Etablierung christlicher Gemeinden in Tokyo bei. Carl Alexander ließ sich regelmäßig von den in Japan tätigen Deutschen berichten, allen voran von den Mitgliedern der deutschen Gemeinden in Tokyo und Yokohama, zu denen auch der deutsche Gesandte Theodor von Holleben gehörte.
Persönlich sind sich Großherzog Carl Alexander und der Meiji-Tenno nie begegnet. Der Kontakt zwischen beiden Regenten wurde vor allem durch hochrangige Regierungsvertreter und Reisende hergestellt. Der Neffe des Großherzogs, Prinz Herrmann Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach, der im Juni 1888 in Japan weilte und dort am kaiserlichen Hof empfangen wurde, wird seinem Onkel sicher lebhaft von seinen Erlebnissen berichtet haben. Von japanischer Seite waren es in erster Linie der Gesandte Alexander von Siebold, ältester Sohn des Arztes und Begründers der internationalen Japan-Forschung, Philipp Franz von Siebold, und der japanische Diplomat und Politiker Shuzo Aoki, die für Carl Alexander Kontakte nach Ostasien herstellten.
Dass sich die beiden Regierungsoberhäupter trotz räumlicher Entfernung sehr schätzten, beweist die gegenseitige Verleihung ihrer jeweils höchsten Auszeichnungen. Carl Alexander erhielt Anfang der 1880er-Jahre den Kaiserlich Japanischen Chrysanthemen-Orden, der Meiji-Tenno wurde 1882 mit dem Großkreuz des Großherzlichen Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken geehrt. Er bedankte sich beim sächsischen Großherzog mit einem warmherzigen Brief, den er mit dem japanischen Staatssiegel versah und mit seinem kaiserlichen Zeichen, der Chrysantheme, verschloss. Regierungsbeamte beider Seiten wurden ebenfalls mit hohen Auszeichnungen bedacht.
Anlässlich des 200. Geburtstages von Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901) zeigen Klassik Stiftung Weimar, Friedrich-Schiller-Universität Jena und das Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar vom 4. Mai bis 1. Juli 2018 die Kabinettausstellung »Chrysantheme und Falke. Carl Alexander und Japan – Weimar ∙ Jena ∙ Tokyo« im Weimarer Stadtschloss.