Eugène Delacroix, »Mediterrane Landschaften mit antiken Tempelruinen in Nordafrika«, 1832, Graphische Sammlungen Weimar

Eugène Delacroix, Zwei frühe Kompositionsstudien zu »Die Freiheit führt das Volk«, 1830, Graphische Sammlungen Weimar

Aus den Graphischen Sammlungen Weimar – Eugène Delacroix

Eugène Delacroix (1798–1863) zählt zu den bedeutendsten französischen Künstler des 19. Jahrhunderts. Unter dem Eindruck der »Julirevolution« entstand 1830 sein wohl berühmtestes Gemälde »La Liberté guidant le peuple« (»Die Freiheit führt das Volk«), Louvre. Die Darstellung zeigt die Vertreibung der Bourbonen und die Machtergreifung des »Bürgerkönigs« Louis-Philippe. Das Gemälde erregte im Salon von 1831 Aufsehen und wurde vom französischen Staat für 3.000 Francs erworben – eine damals sehr hohe Summe.

Im Bestand der Graphischen Sammlungen Weimar befindet sich dank einer Schenkung Dr. Wilhelm Wintersteins Delacroix‘ Aquarell »Mediterrane Landschaften mit antiken Tempelruinen in Nordafrika«, das 1832 auf einer Reise nach Marokko entstanden ist. Das Marokko-Erlebnis, Helligkeit und Licht bestimmten von da an sein weiteres Schaffen, begründete das Ende Delacroix‘ »période romantique« und war zugleich prägend für seine Entwicklung hin zu einer eigenen Formsprache des Orientalismus.

Das Besondere an diesem Werk: auf der Rückseite des Aquarells finden sich zwei frühe Kompositionsstudien zum Gemälde »La Liberté guidant le peuple«.

Sie zeigen die zentrale Figur des Gemäldes, die Personifikation der »Liberté« mit der Trikolore in der Hand, umgeben von angedeuteten Barrikadenkämpfern. Die Haltung beider Arme der »Freiheit« sind seitenverkehrt, auch Kopfwendung und Körperdrehung. Für die endgültige Bildfindung hat Delacroix die Anführerin der Barrikadenkämpfer also in seitenverkehrter Position ausgeführt.

Delacroix führte auf seiner Reise zahlreiche Skizzenbücher mit sich, die er mit einer Fülle von Motiven füllte. Offenbar befand sich in einem der »carnets« bereits die Studie zum »Freiheitsbild«. Auf die andere Seite des Blattes malte er dann die nordafrikanische Küstenlandschaft. Auf Vorder- und Rückseite treffen sich damit zwei Schaffensperioden des Künstlers: Delacroix‘ »période romantique« mit der pathetisch entflammten »Liberté« und der neue Orientalismus als Ergebnis seiner Marokko-Reise.

Seit 1997 trägt Dr. Wilhelm Winterstein, der seit vielen Jahren im gemeinnützigen Bereich der Kunstförderung tätig ist, mit seinen großzügigen Spenden entscheidend dazu bei, zwei wichtige Bereiche der Graphischen Sammlungen Weimar weiter zu profilieren: Die Kunst der Goethe-Zeit in Deutschland sowie die Weimarer Kollektion französischer Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit ihren insgesamt rund 230.000 Werken zählen die Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar heute zu den bedeutendsten ihrer Art in Deutschland.

Literatur: Pierre Rosenberg. Die französischen Zeichnungen in Weimar, in: Von Callot bis Greuze. Französische Zeichnungen des 17. Und 18. Jahrhunderts, bearbeitet von David Mandrella, Hermann Mildenberger, Benjamin Peronnet, Pierre Rosenberg (= Im Blickfeld der Goethezeit V), Ausstellungskatalog Weimar, New York, Paris 2005/6, S. 15, Abb.4.