Das Kuratorium: Dr. Gerda Wendermann, Manuel Schwarz und Gudrun Püschel, Foto: Caroline Pusch © Klassik Stiftung Weimar

Kurator Manuel Schwarz und Kuratorin Gudrun Püschel in der Ausstellung, Foto: Caroline Pusch © Klassik Stiftung Weimar

Kuratorin Gudrun Püschel in der Ausstellung, Foto: Caroline Pusch © Klassik Stiftung Weimar

Kurator Manuel Schwarz beim Ausstellungsaufbau, Foto: Caroline Pusch © Klassik Stiftung Weimar

Von Geistespropaganda und Überhöhung der deutschen Kultur

Im Gespräch mit den Kuratoren von »Krieg der Geister«

Gerda Wendermann, Gudrun Püschel und Manuel Schwarz bilden das Kuratorium der Ausstellung »Krieg der Geister. Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914«. Im Interview stehen sie Rede und Antwort.

Was erwartet die Besucher in unserer Ausstellung »Krieg der Geister« in einem Satz?

Gerda Wendermann: Im ersten Teil der Ausstellung erwartet die Besucher ein sehr konzentrierter, komprimierter Blick auf Weimar in der Zeit von 1900 bis zum Ausbruch des Krieges. Es wird sehr anschaulich vorgestellt, wie Weimar als mythischer Ort, als Symbolort der deutschen Kultur, von außen in der Zeit wahrgenommen wurde. Gleichzeitig wird beleuchtet, wie sich Weimar in dieser Zeit selber als Wallfahrtsort der Deutschen inszeniert hat.

Im zweiten Teil der Ausstellung wird nacherlebbar, wie sich der Begriff der deutschen Kultur ungeheuer aufgeladen hat und den Ersten Weltkrieg in einen Kulturkrieg verwandelt hat.

Mit der Ausstellung erkennt man, dass das ein Thema ist, das das 20. Jahrhundert insgesamt geprägt hat und eine Auswirkung bis heute hat

Manuel Schwarz: In der Ausstellung »Krieg der Geister« kann man in die Gedankenwelt von damals eintauchen, während man in den meisten anderen Ausstellungen in die Welt des Schützengrabens eintaucht.

Der Erste Weltkrieg ist ein internationales Thema. Inwiefern spiegelt sich das in der Ausstellung?

Manuel Schwarz: Ich denke, vor allem im zweiten Teil, wenn es um den Krieg der Geister, also die Auseinandersetzung der Gelehrten aller Kriegführenden Nationen geht. In diesem Streit um die Rechtmäßigkeit des Krieges rufen die deutschen Gelehrten zur Verteidigung der deutschen Kultur auf mit Weimar als dessen Zentrum.

Gudrun Püschel: Persönlichkeiten wie Harry Graf Kessler und Elisabeth Förster-Nietzsche hatten viele internationale Kontakte. Ernst Haeckel, Rudolf Eucken, waren sehr bedeutende , gut vernetzte Wissenschaftler, die weltweit Kontakte pflegten. Wie viele ihrer Kollegen haben die beiden mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihre Verbindungen ins Ausland gekappt. Das war ein wissenschaftliches Desaster, von dem sich die deutsche Wissenschaft lange nicht mehr erholen konnte.

Gerda Wendermann: In der Ausstellung präsentieren wir das Original des berüchtigten »Aufrufs der 93« oder »Aufruf an die Kulturwelt«,in dem 93 der bedeutendsten Vertreter der deutschen Geisteswelt unterschrieben haben, dass ohne den preußischen Militarismus, die deutsche Kultur nicht überlebt hätte. Und dieser Aufruf hat eine Welle an Reaktionen im Ausland ausgelöst, was wir exemplarisch in der Ausstellung zeigen.

Inwiefern verweist die Ausstellung auf aktuelle Konflikte?

Gudrun Püschel: Die nationalistische Rhetorik, die vor 100 Jahren benutzt wurde, höre ich heute – und das ist das Erschreckende – etwa im Ukraine-Konflikt heraus. Es wird in einer Art und Weise auf Nation und eine sogenannte nationale Volkskultur abgehoben, die mich stark an die Phrasen erinnert, die wir in der Recherche zur Ausstellung gelesen haben.

Gerda Wendermann: Aber nicht nur da, wir hatten ja kürzlich die Europa-Wahl und da ging es ja auch verstärkt um nationale Themen.

Manuel Schwarz: Überhaupt ist die Debatte über die kulturelle Identität nie ganz verschwunden. Beispielsweise wird ja heute in Europa über die Kultur des Abendlandes diskutiert.

Haben Sie andere Ausstellungen zum Thema »100 Jahre Erster Weltkrieg« gesehen?

Gerda Wendermann: Ich habe gerade einen Zeitungsausschnitt aus der taz dabei: Im Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Hamburg ist eine Ausstellung über die Propaganda im Ersten Weltkrieg eröffnet worden und ich fand diese Rezension interessant für unser Thema, es geht im Grunde auch um Propaganda, um geistige Propaganda.

In Hamburg geht es dennoch mehr um die visuelle Propaganda. Wir zeigen in »Krieg der Geister« hingegen deutsche Plakate, die sich auf deutsche Kultur beziehen, und wir zeigen Plakate der Alliierten, die sich mit deutscher Kultur als Negativem auseinandersetzen. In diesem Artikel wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Hamburger Schau suggeriere, dass die deutsche Propaganda kaum mit der Dämonisierung der Gegner gearbeitet habe. Der Hamburger Ausstellung wird vorgeworfen, dass sie selbst zur Propaganda wird, weil sie behauptet, dass sich die Deutschen aus einem Ehrgefühl heraus in ihren Plakaten mehr mit sich selber beschäftigt hätten als den Feind anzugreifen. Finde ich hochinteressant.

Was können die Besucher hier in Weimar sehen, was sie woanders bisher noch nicht sehen konnten?

Gerda Wendermann: In der wissenschaftlichen Literatur wurde dieser Kulturkrieg schon häufiger bearbeitet, aber noch nicht in einer Ausstellung dargestellt.

Gudrun Püschel: Die Ausstellung möchte den ideologischen Krieg durch vielfältige Objekte veranschaulichen, nicht nur mit Plakaten – wir präsentieren Gemälde und Graphik, die zu der Zeit eine große Rolle gespielt haben, bis hin zu Medaillen und Auszeichnungen.

Diese Mischung ist etwas, was unsere Ausstellung abhebt von anderen Weltkriegsausstellungen, die fast ausschließlich Kriegsrealita zeigen. Mit »Krieg der Geister« zeigen wir Ideengeschichte und das ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Was waren die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Ausstellung?

Gerda Wendermann: Die Aufgabe bestand in der Visualisierung eines geistigen Prozesses, nämlich die Überhöhung der deutschen Kultur, die Überhöhung Weimars und die völlige Abgrenzung von der europäischen Kultur – zu zeigen, dass die Deutschen sich in diesen Sonderweg der deutschen Kultur verbissen haben und allen Ernstes die westliche Zivilisation als eine Gegenbewegung, als eine verächtliche, negative Gegenbewegung angesehen haben.

War es deshalb vielleicht auch besonders schwer ein geeignetes Bildmotiv für die Kampagne zu finden?

Gudrun Püschel: Es handelt sich nun mal um einen Krieg der Geister und der wird auf dem Papier geführt. Ernst Haeckel, Elisabeth Förster-Nietzsche, Adolf Bartels sind Menschen, die sich durch Briefe, Vorlesungen oder Reden äußern. Und diese Diskussion auf andere Medien zu übertragen wie eben Plakate, Gemälde, Grafiken, persönliche Gegenstände, das war die Schwierigkeit.

Es gibt acht Protagonisten im »Krieg der Geister«, einer ist Harry Graf Kessler. Was ist an ihm so interessant?

Gerda Wendermann: Zum einen Harry Graf Kesslers Bedeutung als Türöffner für die moderne europäische Kunst in Weimar, für das gesamte Kaiserreich, kann man sagen. Die erste Einzelausstellung Claude Monets fand nicht in Berlin statt, sondern in Weimar.

Kessler ist auch eine ambivalente Person und das wurde in den bisherigen Ausstellungen und Veröffentlichungen durchaus anders dargestellt. Wir versuchen zu zeigen, dass er sich von der Erhöhung der deutschen Kultur nicht frei machen konnte, insbesondere Friedrich Nietzsches. Das zeigen wir an dem Tempelprojekt für Nietzsche, das er kurz vor Ausbruch des Krieges verfolgt und Henry van de Velde mit dem Entwurf beauftragt hat. Der Ausbruch des Krieges hat die Realisierung dieses Projekts verhindert. Wir präsentieren in der Ausstellung ein Foto eines Modells und einen Entwurfsplan. Es wäre eine gigantische Anlage vis-a-vis des Bismarckturms am Ettersberg auf der Hohen Sackpfeife geworden – ein Rundtempel plus Stadion.

Sicherlich gab es viele Dinge, Exponate, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben. Bei welchen war der Verzicht besonders schmerzlich?

Manuel Schwarz: Bei einer Plastik aus Jena, die wir gesucht und nicht gefunden haben. Dieses geplante Haeckel-Denkmal, von dem eine Bronzefigur eine Weile im Phyletischen Museum in Jena stand, »Die Wahrheit«. Es bestand die leise Hoffnung, dass sie vielleicht in irgendeinem Depot der Universität Jena steht und sich jetzt finden lässt. Wir haben immerhin ein Foto von dem Gesamtmodell, so wie es in Berlin damals präsentiert wurde.

Gerda Wendermann: Und das kannte auch keiner.

Manuel Schwarz: Wir hätten auch gerne ein Porträt von Rudolf Eucken gezeigt, das Ferdinand Hodler gemalt hat. Leider war dies nicht möglich. Stattdessen fanden wir jedoch ein Porträt, das seine Frau Irene Eucken gemalt hat, welches wenig bekannt ist.

Gerda Wendermann: Das ist eine interessante Nebengeschichte: Irene Eucken hatte eigene künstlerische Ambitionen. Als Sekretärin der Gesellschaft der Kunstfreunde in Jena und Weimar spielte sie eine einflussreiche Rolle.

Gudrun Püschel: Ich hätte gern das Porträt von Elisabeth Förster-Nietzsche von Edvard Munch gezeigt. Es ist ein großartiges Gemälde.

Gerda Wendermann: Das Gemälde befindet sich in der Thielska-Galerie in Stockholm. Ernest Thiel war der Hauptmäzen des Nietzsche-Archivs, ein vermögender schwedischer Banker. Über diesen Kontakt, Kessler-Förster-Nietzsche-Thiel wurde Munch beauftragt, ein Porträt von Friedrich Nietzsche und von Elisabeth Förster-Nietzsche zu malen. Die ausgeführten Fassungen hängen heute in der von Thiele in Stockholm geförderten Galerie, die auch seine Kunstsammlung umfasst. Die Thielska Galerie hat leider einen — Passus in ihrer Satzung, dass sie nur in skandinavische Länder verleihen.

Manuel Schwarz: Dennoch zeigen wir ein Porträt von Friedrich Nietzsche von Edvard Munch, aus unseren eigenen Beständen. Eine Lithographie, die vielleicht auch nicht jeder kennt. Ich glaube, es ist wenig bekannt, dass sich dieses Porträt im Bestand der Klassik Stiftung Weimar befindet.

Die Ausstellung beginnt im August und damit später als viele andere Ausstellungen zum Thema in diesem Jahr. Warum ist das so?

Gerda Wendermann: Die Ausstellung hat einen langen Vorlauf und da ahnten wir noch nicht, dass es eine derartige Welle an Ausstellungen zu diesem Thema geben würde. Uns gefiel die Idee, mit dem Tag der Mobilmachung, mit diesem symbolischen Datum, die Ausstellung zu eröffnen.

Was waren für Sie die schönsten Momente als Kuratoren von »Krieg der Geister«?

Gerda Wendermann: Es sind die Erfolgsmomente, wenn man ein Bild als Leihgabe erhält, das vor 100 Jahren zuletzt hier in Weimar ausgestellt war. Das ist einfach großartig. Oder wenn man was Neues findet und sagt »Ach, das ist der Brief, das ist genau das, was ich gesucht habe«, um eine These zu unterstützen.

Manuel Schwarz: Das Suchen macht schon Spaß, aber das Finden natürlich am allermeisten.

Gerda Wendermann: Ja, und ich darf noch ergänzen, dass es ein besonderes Vergnügen war, zu dritt über die möglichen Exponate zu streiten und Argumente zu liefern, für oder wider. Wir hatten tausend Exponate in der Datenbank und es war klar, wir müssen reduzieren.

Und jetzt sehen wir das Ergebnis im Katalog und in der Ausstellung! Das ist einfach ein schöner Moment, zu sehen, wie sich alles ergänzt und wie auf einmal doch etwas deutlich wird, dass ein Gesamtbild entsteht, dass sich die Exponate wirklich gegenseitig in der Aussage verstärken. Wir haben immerhin 460 Objekte in der Ausstellung, die in die Vitrinen gelegt, die an der Wand platziert und auf dem Sockel gestellt werden.

von Toska Böhme und Caroline Pusch

2 Kommentare

  • hallo ,ich heisse Mayra Salinas Gonzales (Arequipa – Peru ).Ich suche Gudrun Püschel, bitte meine email adresse ist msalinasaqp42@gmail.com .Sagen sie mal bitte! VIele grüsse aus Peru . Ihre “kleine” schwester peruanish. Viele liebe mayra ( gudrun you look at amazing in the picture :))

    Mayra Salinas -
    • Liebe Mayra Salinas Gonzales,

      vielen Dank für Ihren Kommentar aus dem fernen Peru. Wir haben Ihren Kommentar an Frau Püschel weitergeleitet.

      Mit freundlichen Grüßen
      die Online-Redaktion

      Klassik Stiftung Weimar -