Dora Stock (?), Charlotte von Stein, undatiert, Silberstiftzeichnung, Klassik Stiftung Weimar

Carl Ludwig von Knebel (1744-1834): »Lebensblüthen«; Visiten- und Spielkärtchen mit Abschriften Sophie von Schardts, Frankfurter Goethe-Haus / Freies Deutsches Hochstift

Charlotte von Stein, »DIDO«, Reinschrift von Schreiberhand mit eigenhändiger Ergänzung, 46 Blatt, gezeigt Bl. 4, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv

Charlotte von Stein, »DIDO«, Detail, Reinschrift von Schreiberhand mit eigenhändiger Ergänzung, 46 Blatt, gezeigt Bl. 4, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv

Charlotte von Stein, »Neues Freiheits-System oder Die Verschwörung gegen die Liebe«, Reinschrift von Schreiberhand, 68 Blatt, gezeigt Szene V/16, Klassik Stiftung Weimar

Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen«, Tübingen 1803, Klassik Stiftung Weimar; Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen von Friedrich Schiller«, In: »Neueste deutsche Schaubühne für 1805«, 3. Band, Augsburg 1805 (Privatbesitz)

Die Schriftstellerin Charlotte von Stein

Bis heute findet Charlotte von Stein fast ausschließlich im Bezug zu Goethes Leben und Werk Beachtung. Das Kuratorenteam des Goethe- und Schiller-Archivs zeigt die außergewöhnliche Frau als Schriftstellerin am Beispiel dreier ihrer Werke.

»Dido«

Mit dem Trauerspiel »Dido« vollendete Charlotte von Stein im Jahr 1794 ihr erstes größeres dramatisches Werk. In der Figur des Dichters Ogon, einem von drei Gelehrten am Hof Didos, karikiert die Autorin unverkennbar und auf wenig schmeichelhafte Weise Goethe. Lange sah man deshalb das Stück als einen Akt der Rachsucht aus persönlicher Verletztheit an, als verschlüsselte Darstellung des Verhältnisses der Autorin zu Goethe nach dem Ende ihrer engen Beziehung.

Charlotte von Stein, »DIDO«, Reinschrift von Schreiberhand mit eigenhändiger Ergänzung, 46 Blatt, gezeigt Bl. 4, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv

Charlotte von Stein, »DIDO«, Reinschrift von Schreiberhand mit eigenhändiger Ergänzung, 46 Blatt, gezeigt Bl. 4, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv

In der im Goethe- und Schiller-Archiv überlieferten Reinschrift von Schreiberhand findet sich eine größere Ergänzung von der Hand Charlotte von Steins: Zweieinhalb auf einen eingelegten Papierstreifen geschriebene Zeilen, durch Einweisungszeichen als Bühnenanweisung am Schluss der fünften Szene des ersten Aktes markiert.

Indem die Anweisung den ursprünglichen Text durch den Zusatz »die Originale dieser schön gemahlten Trauben, haben schon längst ihren Saft in die Kelter gegeben« erweitert, geht sie über das hinaus, was ein Bühnenbild visualisieren kann – möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Tragödie ausschließlich für die Lektüre bestimmt war.

Schiller nannte das Stück »poetisch«, »weil es wirklich eine productive Kraft, nehmlich eine Macht beweißt, sein eigenes Empfinden zum Gegenstand eines heitern und ruhigen Spiels zu machen«. Seinem Wunsch, das Drama zu veröffentlichen, entsprach Charlotte von Stein nicht.

»Neues Freiheits-System oder Die Verschwörung gegen die Liebe«

»Ich schreibe eine Komödie; denn je älter man wird, je lustiger muß man sich das Leben lassen vorkommen. Ich glaube beinahe, sie wird nicht schlecht«, teilte Charlotte von Stein am 28. Juni 1798 ihrem Sohn Friedrich mit. Vermutlich arbeitete sie zu dieser Zeit an einem Lustspiel mit dem Titel »Neues Freiheits-System oder Die Verschwörung gegen die Liebe«. Es enthält Anspielungen auf die Französische Revolution ebenso wie auf die zeitgenössische Literatur und Wissenschaft. Wohl nicht zufällig trägt der komische Held den Nachnamen des berühmten schwedischen Naturforschers Carl von Linné.

Charlotte von Stein, »Neues Freiheits-System oder Die Verschwörung gegen die Liebe«, Reinschrift von Schreiberhand, 68 Blatt, gezeigt Szene V/16, Klassik Stiftung Weimar

Charlotte von Stein, »Neues Freiheits-System oder Die Verschwörung gegen die Liebe«, Reinschrift von Schreiberhand, 68 Blatt, gezeigt Szene V/16, Klassik Stiftung Weimar

Anders als bei dem fünf Jahre zuvor entstandenen Trauerspiel »Dido« hoffte Charlotte von Stein, ihre Komödie möge »ins Publikum kommen«. Eine Veröffentlichung kam aber zu Lebzeiten Steins nicht zustande. Erstmals gedruckt wurde das Stück 1867, allerdings mit erheblichen Eingriffen des Herausgebers Felix von Stein, eines Urenkels der Autorin. In seiner Bearbeitung wurde das Stück im März 1874 zum ersten Mal am Rudolstädter Hoftheater aufgeführt.

»Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen«

Charlotte von Steins Schauspiel »Die zwey Emilien« ist die Bearbeitung eines 1798 erschienenen Romans der englischen Schriftstellerin Sophia Lee. Wie auch in der Vorlage versucht die Waise und Hochstaplerin Emilie Fitzallen die Grafentochter Emilie Arden um ihre Erbschaft zu bringen und ihr den Ehemann abspenstig zu machen.

Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen«, Tübingen 1803, Klassik Stiftung Weimar; Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen von Friedrich Schiller«, In: »Neueste deutsche Schaubühne für 1805«, 3. Band, Augsburg 1805 (Privatbesitz)

Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen«, Tübingen 1803, Klassik Stiftung Weimar;
Charlotte von Stein (1742–1827), »Die zwey Emilien. Ein Drama in vier Aufzügen. Nach dem Englischen von Friedrich Schiller«, In: »Neueste deutsche Schaubühne für 1805«, 3. Band, Augsburg 1805 (Privatbesitz)

Im Unterschied zum Roman jedoch ist Charlotte von Steins Stück tragikomisch. Nach ihrer Entlarvung erweist sich Emilie Fitzallen weniger als böse Rivalin denn als frühe Feministin, die die Legitimität ihres Handelns verteidigt:

»Mein Betrug war gerechte Rache. – Ja, es bleibt wahr und gewiß. Nie standen die Frauen an ihrem gehörigen Platze, weder nach der Ordnung der Natur, noch nach dem Vertrag der gesellschaftlichen Einrichtung. Was der einen gelingt, stürzt die andere herab. Vorzügliche Eigenschaften schaden ihnen oft, oft nutzen ihnen ihre Fehler und tragen sie aus einer unbekannten Sphäre zu einer höhern Rolle empor. Einmal sind wir alles und bald darauf nichts – Aber ich habe eine Männerseele und will auf keine Art Fesseln tragen.«

Carl Ludwig von Knebel (1744-1834): »Lebensblüthen«; Visiten- und Spielkärtchen mit Abschriften Sophie von Schardts, Frankfurter Goethe-Haus / Freies Deutsches Hochstift

Carl Ludwig von Knebel (1744-1834): »Lebensblüthen«; Visiten- und Spielkärtchen mit Abschriften Sophie von Schardts, Frankfurter Goethe-Haus / Freies Deutsches Hochstift

Das Stück, von dem keine Handschrift überliefert ist, wurde erstmals 1803 anonym bei Johann Friedrich Cotta in Tübingen gedruckt. Wie aus der Korrespondenz des Verlegers hervorgeht, hatte Friedrich Schiller den Erstdruck vermittelt. Ohne Schillers Mitwirkung, doch unter seinem Namen erschienen »Die zwey Emilien« 1805 erneut – eine bemerkenswerte Zuschreibung, die für die literarische Qualität des Stückes spricht.

Vom 20. Januar bis 28. Mai zeigt das Goethe- und Schiller-Archiv die Ausstellung »Charlotte von Stein. Schriftstellerin, Freundin und Mentorin«.

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Ein Kommentar

  • Na bitte, hätte man sich doch dem Haus der Frau von Stein gewidmet, dann könnte man heute darin alles, was sie schrieb und alles, was sie mit dem Geheimrat verband und alles, was sie der Nachwelt hinterließ, ausstellen. Man könnte Bühnenbilder und vieles mehr zu ihren Stücken zeigen, könnte sie visualisieren und kommentieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Sogar Laientheater könnten dort auftreten und müssten sich nicht im Bahnhof “verstecken”. Vielleicht duldete Goethe nur keine weibliche Konkurrenz und die Stücke sind interessanter, als er sie vermochte zu lesen und sie später ihr Urenkel vermochte zu inszenieren. In den Räumen des Hauses, die nicht für museale Zwecke gebraucht worden wären, könnte man Lesungen stattfinden und über Ländergrenzen hinaus für Autoren ein Ort entstehen lassen, wo jeder Autor*in gelesen haben wollte. Sogar Funk und Fernsehen, könnten literarischen Sendungen ausstrahlen und vieles mehr. Es könnte ein Haus werden, in dem viele “leise” Veranstaltungen solcher Art stattfinden würden. Doch leider ist dem Herrn Seemann dieses Haus “entgangen”, dass er es nicht für die Stiftung erwerben wollte. Es liegt also an einer einzigen Person der Gegenwart, dass das Haus an einen spanischen Investor verkauft wurde, der mit einer Dali Ausstellung die Räumlichkeiten verfremden wollte. Hoffentlich hat er mit dem jahrelangem Hämmern und Entsorgen der Wände, Decken und Fußböden nicht vermocht, dem ehemaligen Charme der Innenräume so viel Schaden zuzufügen, dass es nicht mehr zu erkennen ist.

    Ilse Schmidt -