Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Unter Aschebüchern entdeckt – Nikolaus Kopernikus »De Revolutionibus«

Am 2. September 2004 brach in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar ein verheerender Brand aus, der das Gebäude und den wertvollen Buch- und Kunstbestand stark beschädigte. Nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten steht heute der größte Teil der 118.000 vom Brand und den Brandfolgen beschädigten Bücher wieder der Benutzung zur Verfügung. Von den 50.000 gänzlich verbrannten Büchern konnten bislang 10.000 durch ein Exemplar der gleichen Ausgabe ersetzt werden.

Unter den stark brandgeschädigten Büchern und Fragmenten aus der ehemaligen Zweiten Galerie des Rokokosaals wurde nun einer der wertvollsten Drucke der Weimarer Sammlung wiedergefunden: die 1543 in Nürnberg erschienene Erstausgabe des Hauptwerks von Nikolaus Kopernikus »De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI.« (dt.: Über die Umläufe der himmlischen Kreise in sechs Büchern).

Mehr als neun Jahre trug das Exemplar mit der Signatur 4° XVI : 27 [bb] im Bibliothekskatalog den Vermerk »vermutlich Verlust bei Bibliotheksbrand 2004«.

Jetzt soll es in der Spezialwerkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut in Weimar-Legefeld sorgfältig untersucht und restauriert werden. Spuren des Brandes werden bestehen bleiben, Substanzverluste im hinteren Drittel reichen bis in den Satzspiegel hinein. Der frühere Pergamenteinband ist zerstört worden. Dennoch kann das kostbare Buch als Ganzes bewahrt und wieder in die Sammlung integriert werden.

Ein Meilenstein der Astronomie

Das Werk ist ein Meilenstein der Astronomie und von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Neuzeit. Naturwissenschaftliche Forschung ist hier aufs Engste mit philosophischen Fragestellungen verknüpft. Angeregt durch Quellen der griechischen Antike, v. a. Aristarch von Samos, Herakleides von Pontos und Philolaus von Kroton, entwickelte Kopernikus ein neues Weltbild. Demnach bewegt sich die Erde um die eigene Achse und umkreist, wie auch die anderen bis dahin bekannten Planeten, die Sonne als Zentralgestirn.

Mehr als zweitausend Jahre lang war die Erde als ruhendes Zentrum des Universums angesehen worden (geozentrisches Weltbild). Die gewaltige Leistung von Kopernikus war es, scheinbar einleuchtende und unangefochtene Argumente gegen eine Bewegung der Erde als falsch erkannt und die heliozentrische Theorie durch jahrzehntelange astronomische Beobachtungen sowie mathematische Berechnungen fundiert begründet zu haben. Sein Wirken besaß eine solche Strahlkraft, dass andere Wissenschaftler, v. a. Kepler und Galilei, darauf aufbauten und der große Perspektivwechsel nur zweihundert Jahre später allgemein anerkannt war.

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Von der Theorie zur Publikation

Bereits um 1509 hatte Kopernikus die Grundzüge seiner Theorie in einer kurzen Abhandlung beschrieben, dem sogenannten »Commentariolus«, von dem einige Abschriften weitergegeben wurden. Danach war er ca. dreißig Jahre mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung beschäftigt und begann um 1530 mit der Niederschrift seines Werks. Für diese Zeit finden sich zahlreiche Quellen, dass die neue Theorie in den gelehrten Kreisen Europas verbreitet und diskutiert wurde, 1533 ließ sie sich Papst Clemens VII. von seinem Sekretär in einem Vortrag erläutern. Kopernikus selbst hätte sein Werk zu Lebzeiten wahrscheinlich nicht mehr publiziert.

Die Initiative ergriff ein junger Mathematikprofessor aus Wittenberg, Georg Joachim Rheticus, der seit Mai 1539 mit Kopernikus dessen handschriftliches Material durcharbeitete und die interessierte Öffentlichkeit auf das Buch vorbereitete. So publizierte er bereits 1541 das Kapitel zur trigonometrischen Messung »De Lateribus et Angulis Triangulorum« (dt.: Über Seiten und Winkel von Dreiecken). Dieser wertvolle Wittenberger Druck wurde ebenfalls und in gutem Zustand unter den Weimarer Aschebüchern gefunden. Im September 1541 reiste Rheticus mit einer Abschrift des Autographs nach Nürnberg, wo er den Verleger Johannes Petreius für den Druck gewonnen hatte. Im Frühjahr 1543 war dieser fertiggestellt.

Ein Exemplar erreichte Kopernikus am 24. Mai 1543, dem Tag seines Todes.

Das in der Erstausgabe rund 400 Druckseiten umfassende kopernikanische Werk gliedert sich in sechs Bücher. Das erste Buch behandelt die Grundlagen des heliozentrischen Weltbildes, das zweite die Theorie der Phänomene am Himmel, das dritte die scheinbare Bewegung der Sonne, das vierte die Bewegung des Mondes, das fünfte und sechste die Bewegung der Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur in ihrer Länge bzw. in ihrer Breite. Die Ausgabe illustrieren 148 Holzschnittdiagramme.

Eine zweite Ausgabe des Werkserschien 1566 in Basel, eine dritte 1617 in Amsterdam unter dem Titel »Astronomia instaurata«. Sie steht in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek als bereits restauriertes und digitalisiertes Aschebuch zur Verfügung. Im Jahr 1618 wurde »De Revolutionibus« im Zusammenhang mit dem Prozess um Galileo Galilei in den »Index Librorum Prohibitorum« (Verzeichnis der verbotenen Bücher) aufgenommen. Die Verwendung blieb jedoch weiterhin erlaubt, sofern zwölf Korrekturen vorgenommen wurden, die den Hypothesencharakter der Theorie betonen sollten. Kopernikus selbst sah keinen Widerspruch zwischen den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen Arbeit und seinem christlichen Glauben. Als Domherr des Kapitels in Frauenburg verbrachte er sein ganzes Leben im Umfeld und im Dienst der Kirche.

Die Originalhandschrift, welche nicht als Vorlage für den Druck gedient hatte und sich an vielen Stellen von diesem unterscheidet, war seit dem Dreißigjährigen Krieg verschollen und tauchte erst im 19. Jahrhundert in einer böhmischen Adelsbibliothek wieder auf. Sie wurde 1956 vom tschechischen Staat dem polnischen Volk übereignet und heute in der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau aufbewahrt, wo Kopernikus einst seine wissenschaftliche Laufbahn begann.

Die Nürnberger Erstausgabe von »De Revolutionibus« gehört zu den am teuersten gehandelten antiquarischen Büchern.

Man schätzt, dass sie in einer Auflage von 400 bis 500 Exemplaren erschien, von denen heute noch mindestens 258 erhalten sind. Im Jahr 2008 wurde bei einer Auktion in New York ein Erlös von 2,2 Mio. US-Dollar (damals 1,4 Mio. Euro) erzielt.

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Nikolaus Kopernikus: De Revolutionibus Orbium coelestium, Libri VI., Nürnberg, Petreius, 1543, Foto: Candy Welz © Klassik Stiftung Weimar

Randnotizen

Die weltweit erhaltenen Exemplare von »De Revolutionibus« sind ein hervorragendes Beispiel dafür, welchen Beitrag Lektürespuren und Kommentare der Leser zur Erforschung eines Werkes, zum geistigen Umfeld seiner Entstehung und seiner Rezeption leisten können. Sie ermöglichten die Verbreitung zusätzlicher Informationen und erlauben Einblicke in frühere wissenschaftliche Netzwerke. Rund die Hälfte der bekannten Exemplare ist annotiert, teils von bedeutenden Gelehrten, wie z. B. Tycho Brahe. Viele wurden von Lehrern an ihre Schüler oder andere Gelehrte weitergegeben. Auch das Weimarer Exemplar weist Randnotizen aus dem späten 16. Jahrhundert auf, jedoch keinen Namenseintrag seines Vorbesitzers.

Auf welchen Wegen es in die Herzogliche Sammlung gelangte, konnte bisher nicht geklärt werden. Seine Signatur weist darauf hin, dass es zu den ältesten Bibliotheksbeständen gehört.

Goethe über »De Revolutionibus«

Goethe hat das Werk von Kopernikus hoch geschätzt. In den 1810 erschienenen Materialien zur Geschichte der Farbenlehre schreibt er:

»Doch unter allen Entdeckungen und Überzeugungen möchte nichts eine größere Wirkung auf den menschlichen Geist hervorgebracht haben, als die Lehre des Kopernikus. Kaum war die Welt als rund anerkannt und in sich selbst abgeschlossen, so sollte sie auf das ungeheure Vorrecht Verzicht tun, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein.

Vielleicht ist noch nie eine größere Forderung an die Menschheit geschehen: denn was ging nicht alles durch diese Anerkennung in Dunst und Rauch auf: ein zweites Paradies, eine Welt der Unschuld, Dichtkunst und Frömmigkeit, das Zeugnis der Sinne, die Überzeugung eines poetisch-religiösen Glaubens; kein Wunder, daß man dies alles nicht wollte fahren lassen, daß man sich auf alle Weise einer solchen Lehre entgegensetzte, die denjenigen, der sie annahm, zu einer bisher unbekannten, ja ungeahneten Denkfreiheit und Großheit der Gesinnungen berechtigte und aufforderte.«