Neuerwerbung aus dem
Brautschatz Maria Pawlownas
Im Jahr 2017 erwarb die Klassik Stiftung Weimar im Kunsthandel ein Porzellanobjekt, das einst als Teil des kostbaren Brautschatzes der Zarentochter Maria Pawlowna in das Weimarer Herzogtum gelangte.
Die russische Großfürstin, Tochter des Zaren Paul I., wurde nach Jahren langwieriger Verhandlungen 1804 in der Schlosskirche des Winterpalais in St. Petersburg mit dem Weimarer Erbprinzen Carl Friedrich vermählt. Mit der Heirat war die Verbindung zweier Dynastien, des russischen Zarenhofes mit dem Weimarer Fürstenhaus, besiegelt und über die folgenden 50 Jahre bis zu ihrem Tod 1859 sollte die Großherzogin bedeutenden Einfluss auf die politischen und kulturellen Entwicklungen im Weimarer Herzogtum nehmen und sich lebenslang für einen intensiven kulturellen Austausch zwischen beiden Völkern einsetzen. Maria Pawlowna agierte als erfolgreiche Diplomatin im Spannungsfeld der europäischen Politik zu Beginn des 19. Jahrhunderts, und nicht zuletzt ermöglichte die reiche finanzielle Mitgift der Zarentochter neben ihrem vielfältigen sozialen Engagement ein breit gefächertes mäzenatisches Wirken. Die standesbewusste Enkelin Katharinas der Großen förderte die zeitgenössische Musik, Kunst, Literatur und gelehrte Institutionen wie die Jenaer Universität. Sie unterstützte Wohlfahrtseinrichtungen und gründete das ›Patriotische Institut der Frauenvereine‹, um alleinstehende und sozial benachteiligte Frauen und Kinder zu unterstützen. Zudem legte sie einen wichtigen Markstein in der höfischen Memorialkultur, als sie zu Ehren von Goethe, Schiller, Herder und Wieland die Dichterzimmer im Weimarer Stadtschloss gestaltet ließ.
Es war ein herrschaftlicher Moment, als nach fast einmonatiger Reise das Brautpaar am 9. November 1804 feierlich Einzug in Weimar hielt. Eindrucksvoll festgehalten wurde dieses Ereignis auf dem historisierenden Gemälde von Friedrich Preller d. Ä. aus dem Jahr 1849. Als Teil eines umfassenden Bilderzyklus zur Dynastiegeschichte des Weimarer Herzogshauses wurde es im Auftrag Maria Pawlownas für den ›Conseilsaal‹ im Westteil des Weimarer Stadtschlosses angefertigt und wird noch heute dort gezeigt.
Die Entfernung von über 2.000 Kilometern legte das frisch vermählte Paar innerhalb von 34 Tagen über den Landweg zurück. Ihre Kutsche, der Hochzeitsreisewagen, ist noch erhalten und unweit von Weimar im Kutschenmuseum in Auerstedt zu besichtigen.
Etwas früher schon, am 1. Oktober 1804, traf die kostbare Aussteuer in Weimar ein. Der Brautschatz Maria Pawlownas war im wahrsten Sinne des Wortes ein Schatz, eine Meisterschau russischen Kunsthandwerks. Die Ausstattung der Großfürstin folgte, wie zuvor bei ihren Schwestern, einem bestimmten Reglement, das auf Anordnung ihrer Mutter, Maria Fjodorownas, bereits 1797 festgesetzt wurde, als die Vermählungen der ältesten Töchter Alexandra und Helena bevorstanden.
Die in 144 Kisten verwahrte, opulente Mitgift gelangte teils über den Seeweg, teils über Land in einer Karawane von 79 Pferdewagen an ihr Ziel und wurde daraufhin im Fürstenhaus, einem Palais in der Nähe des Stadtschlosses, in neun Sälen öffentlich ausgestellt. Das »Journal des Luxus und der Moden«, eine in Weimar herausgegebene Zeitschrift für Mode, Interieur und Kultur, berichtete im Januarheft des Jahres 1805 in dem Artikel »Ueber den Trousseau der Frau Erbprinzessin von Sachsen-Weimar, Großfürstin von Russland, K.[aiserliche]) Hoheit« ausführlich über die Mitgift. Das »Journal« wurde durch den Verleger Friedrich Justin Bertuch europaweit vertrieben, sodass nicht nur die Leserinnen und Leser in Weimar bestens über die Kostbarkeiten russischen Kunsthandwerkes informiert wurden, sondern das Ereignis auch in den großen Residenzen in Berlin, Prag, Wien und Kopenhagen in aller Munde war.
Im Rahmen eines gemeinsamen Digitalisierungsprojektes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena sind die Jahrgänge von 1786 bis 1815 erschlossen und als Online-Edition veröffentlicht worden.
Betrachtet man die Auflistung der Porzellane im Artikel über den ›Trousseau‹, fällt bereits in der Beschreibung des ersten Saales des Fürstenhauses die mit kostbaren Porzellanen gedeckte Tafel auf:
»Die dritte Tafel trägt ein kostbares Porzellanservice von beinahe 100 Kouverts, und ist so wie die Biscuitgruppen aus der Petersburger Kaiserl.[ichen] Porzellanfabrik. Auf weißem Grunde mit reicher Vergoldung sind malerische Gegenden, vorzüglich aus Italien und der Schweiz colorirt dargestellt, und auf der Unterseite eines jeden Tellers der Name der Gegend angegeben, so dass dieses oft angenehmen mannichfaltigen Stoff zur Unterhaltung während der Tafel geben kann.«
Beschrieben wird hier das mit einer Bordüre aus zarten Rosen geschmückte und mit italienischen Landschaften gestaltete Brautschatzservice Maria Pawlownas, das sogenannte Rosenfries-Service, dessen Teile in dem noch in St. Petersburg aufgesetzten und versiegelten Mitgiftinventar vom 21. Juli 1804 detailliert aufgelistet wurden: »Inventaire Des Effets appartenants à Son Altesse Impériale Madame La Grande Duchesse Marie Pavlovna. Envoyés à Weimar avec le Conseiller d’État actuel Litke L’an 1804«
Dieses große Tafel- und Dessertservice mit einem mehrteiligen Skulpturen-Tafelaufsatz gehörte zu den umfangreichsten und aufwendigsten Bestandteilen des ›Trousseaus‹. Als Vorbild diente das ›Kabinettservice‹, das Zarin Katharina II. für den Minister für auswärtige Angelegenheiten, Graf Alexander Besborodko, im Jahr 1793 in der Kaiserlich-Russischen Porzellanmanufaktur in St. Petersburg herstellen ließ. Dieses erfolgreiche Service wurde mehrfach mit jeweils abgewandelten Rosenbordüren hergestellt und auch Marias Schwestern, Alexandra, Helena und Katharina als Brautservice in die Ehe mitgegeben. Das Porzellanservice für 80 Personen bestand aus 800 Teilen, die mit einem Fries aus gerahmten, zu viert gebundenen Rosen, Grisaille-Rosetten und italienischen Landschaften in ovalen und runden Medaillons verziert waren. Zusammen mit den Porzellanen für das Dessert und den Tafelaufsätzen aus Biskuitporzellan umfasste das gesamte Service weit über 1.000 Porzellane.
Die Museen der Klassik Stiftung Weimar besitzen heute 15 Serviceteile, die alle seit 1989 im Kunsthandel erworben werden konnten. Die jüngste Erwerbung, eine Sauciere, geschmückt mit einer Goldfond-Bordüre, einem Fries aus Rosenblüten und der Ansicht des Hafens im heutigen Porto Empedocle auf Sizilien, konnte im letzten Jahr angekauft werden. Gemeinsam mit den bereits vorhandenen Porzellanen des Rosenfries-Services wird sie im Speisezimmer des Weimarer Stadtschlosses präsentiert und kann dort bis zum 1. Juli 2018 besichtigt werden.