Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, Detail, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, Detail, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar; Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

»Ernestiner« trifft Bauhaus, Teil 7

»Ernestiner« trifft Bauhaus: Wir haben Künstlerinnen und Künstler der Bauhaus-Universität Weimar gebeten, Werke der Ernestiner-Ausstellung neu zu interpretieren und Ideen sowie Herangehensweise in einem kurzen Text zu beschreiben. Hier zeigen wir jede Woche ein Ergebnis.
Die Künstlerin Anna Härtelt hat sich mit dem Wappenschild der Fruchtbringenden Gesellschaft beschäftigt und interpretiert es als Symbol der gescheiterten Menschheit.

Als ich die zur Auswahl stehenden Bilder der Ausstellung »Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa« durchscrollte, hat mich nur eines zur Neuinterpretation angesprochen: Das Wappen der Fruchtbringenden Gesellschaft, auch Palmenorden genannt.

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, Detail, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, Detail, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar

Die zu ihrer Zeit größte literarische Gesellschaft, mit über 800 Mitgliedern der damaligen Oberschicht Europas, wurde 1617 in Weimar gestiftet.

»Zur Erhaltung und Wiederherstellung der Reinheit unserer Muttersprache.« Eine Vereinigung von Spießbürgern mit nicht allzu viel Einfluss.

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Den Zweck der Darstellung kannte ich aber zuerst nicht. Meine Annahme war, das Thema sei der Kolonialismus. Mir kamen abenteuerliche Reisen in nie zuvor gesehene Welten in den Sinn, welche nicht nur meiner Generation verwehrt bleiben.

Ich erinnerte mich auch an die Barbarei und Arroganz, mit der Europäer vor über 400 Jahren fremde Kulturen eroberten und annektierten.

Wenn man, wie ich, davon ausgeht, es handele sich bei dem Wappen um eine Art Ehrung des Kolonialismus, mit der abgehobenen Beschriftung »Alles Zu Nutzen.« und »Die Fruchtbringende Gesellschaft«, dann kann man nur sagen: »Das Projekt ist gründlich gescheitert«. Eine Ironie sondergleichen!

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, Detail, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, Detail, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

2016 markiert einen negativen Siedepunkt genau dieser früheren und wohl bemerkt immer noch andauernden Unternehmungen. Heute leben die Gesellschaften vereint im Informationszeitalter. Allesamt einem Wirtschaftssystem unterworfen, das es sogar vermochte, das Klima auf der Erde zu verändern.

Ich sehe Flüchtlinge an den Außengrenzen der Nordhalbkugel vor meinem inneren Auge, die genau in den Region nicht mehr leben können, welche auf dem Wappen abgebildet sein könnte.

Ich bin plötzlich mit dem Scheitern der Menschheit seit 1617 konfrontiert, wenn ich dieses Wappen mit diesem Text sehe und in den Kontext der heutigen Zeit stelle.

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar; Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Abraham Richter, Ludwig Fürst zu Anhalt-Köthen, »Alles zu Nutzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft«, 17. Jahrhundert, Öl auf Pergament, mit Leinwand doubliert. © Klassik Stiftung Weimar; Anna Härtelt, Die Unheilbringende Gesellschaft, 51 x 40 cm, Tusche auf Papier, 2016 © Anna Härtelt

Die Neuinterpretation »Die Unheilbringende Gesellschaft« ist ein Nachher-Bild. Ein Ist-Zustand. Ein Schluchzen.

Ein letztes Zitat von Slavoj Žižek, passend dazu:

»Die wahre Utopie ist zu denken, dass es so weiter gehen kann.«

Anna Härtelt

Anna Härtelt wurde 1984 in Sachsen geboren. Sie studierte Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar und der University of Arts in Tokio. Die Künstlerin war unter anderem an Ausstellungen in Leipzig, Yokohama (Japan), Nagoya (Japan), Weimar, Erfurt und Berlin beteiligt. Anna Härtelt ist Preisträgerin 2015 der Stiftung Stiftung Ulla und Eberhard Jung.

Mehr über Anna Härtelt:

Zur Website der Künstlerin

5 Fragen an Anna Härtelt

Weitere Beiträge der Reihe:

Isaac Chong Wai: »How new is the Neues Museum?«

Daniel Poveda: »Back and forth – a requiem«

Anna Heyde: »Das letzte und das erste Wort«

Franziska Becher: »The Release«

Rosmarie Weinlich: »Durch Azur fallend tief in die Nacht«

Adam Noack: »Maria Pawlowna durch eine Sonnenbrille«