»Goethe war entsetzt über Beethovens Musik«
Christiane Wiesenfeldt, Hochschule für Musik Franz Liszt, im Interview über Beethovens Verbindung zu Goethe und den Übergang von Klassik zu Romantik.
Frau Wiesenfeldt, gibt es zwischen Beethoven und dem Weimar der Goethezeit eine direkte oder indirekte Verbindung?
Auf diese Frage kann man eigentlich nur ex negativo antworten. Wir wissen, dass Goethe und Beethoven sich nicht sonderlich gut verstanden haben. In einem Kurbad sind sie einmal kurz aufeinandergetroffen und haben sich unterhalten, konnten letztlich aber nicht viel miteinander anfangen. Beethoven hat Goethe als Dichter sehr geschätzt. Er hat ja auch verschiedene Texte von Goethe als Vorlage verwendet, »Meeresstille und glückliche Fahrt« zum Beispiel. Beethoven hat auch mehrfach Materialien nach Weimar geschickt, aber in den seltensten Fällen eine Antwort bekommen.
Es gibt noch die etwas seltsame Begebenheit, als der junge Felix Mendelssohn Goethe besucht, ihm aus einer Beethoven-Symphonie vorspielt und Goethe absolut entsetzt ist über diese Musik. Soweit wir wissen, ist danach im Hause Goethe auch kein Beethoven mehr erklungen. Goethe ist in dem Punkt einfach nicht auf der Höhe des musikalischen Geschmacks seiner Zeit gewesen, würde ich einmal ganz direkt sagen.
An anderen Orten in Weimar hat man Beethoven schon zur Kenntnis genommen, etwa im Umfeld von Adele Schopenhauer, die ja sehr romantisch aufgeklärt und aufgeschlossen war. Da ist Beethoven auch gespielt worden.
Aber Beethoven hat sich mit Goethe, wie Sie bereits sagten, ja eingehend beschäftigt und Goethe sehr geschätzt.
Richtig. Beethoven war ein Leser und hat sehr intensive Lektüren über den eigenen Fach-Tellerrand hinaus vorgenommen. Er kannte Goethes Werke und war auch schlicht ein ›Fan‹. Nur leider ist der Dialog letztlich gescheitert.
Was ist das Besondere an seinen Interpretationen – auf welche Art hat Beethoven Goethes Werke interpretiert?
Beethoven hat getan, was jeder Künstler tut, der selbständig denkt und arbeitet. Er hat sich nicht zum Diener von Goethes Wort gemacht, sondern ganz selbstverständlich einen eigenen Zugang gesucht. Er übersetzt den Text in reine Instrumentalmusik und lässt die Musik für sich selbst sprechen. Das muss jemandem, der primär mit Worten arbeitet, wie Goethe, nicht sonderlich schmecken. Andererseits ist Schubert mit seinen Liedern auch mehrfach am Goetheschen Briefkasten abgeprallt. Es ging wohl einfach um die Tonsprache, mit der Goethe nicht viel anfangen konnte, weil sie zu eigenständig war, zu individuell.
Beim Konzert am Samstag kommen drei historische Hammerflügel zum Einsatz. Eignen sich diese Instrumente in besonderer Weise für Beethovens Musik?
Es ist natürlich eine gute Idee, auf Flügeln zu spielen, die ungefähr aus der Zeit stammen. So kann man einen historischen Klang erleben, der dem damaligen zumindest nahe kommt. Man kann sich in eine andere Zeit hineinhören, jenseits des doch sehr einseitigen Steinway-Sounds, den man als Konzertgänger gemeinhin im Ohr hat. In ein Tasteninstrument-Spektrum, das weitaus vielfältiger ist als dieses Eingeebnete, Glanzlackierte, mit dem wir es heute sonst zu tun haben. Das ist schon sehr reizvoll.
Beim Konzert sprechen Sie dann darüber, dass Beethoven sozusagen am Übergang steht zwischen Klassik und Romantik?
Unter anderem. In Beethovens Œuvre kann man genau diesen Wechsel nachvollziehen. In den fünf Sonaten zeigt er sich exemplarisch. In den frühen spielt er noch stark mit spätbarocken und klassischen Formen. Das ist ein junger Komponist, der experimentiert und sich verortet. Bei der zweiten Sonate ist er längst etabliert und erfolgreich. Er hat seinen eigenen Stil gefunden und fängt jetzt an, mit Klangsphären zu experimentieren. Das Naturalistische wird wichtig, das Lyrische, große Gesten. Das Cello, das der menschlichen Stimme ja am nächsten ist, tritt stark nach vorn und bekommt einen individuellen Ausdruck. Das sind alles frühromantische Gesten. Trotzdem steht die mittlere Sonate mit einem Bein noch in der Klassik. Bei den späten Sonaten haben wir dann Reduktion, fragmentarische Kürze, zarte Innerlichkeit. Und am Ende steht dieses gigantische Fugenfinale, da wird es extrem, da wird es hart, da fahren die Instrumente Attacke gegeneinander. Da ist auch kein Zusammenspiel mehr, da heißt es nur noch: Wer ist als erster fertig? Das ist in dieser Extremhaltung natürlich hochromantisch.
Diese fünf Werke schlagen also sehr schön diesen Bogen von der frühen Phase eines Komponisten, der sich noch sucht bis hin zum Spätwerk eines Komponisten, der schon längst taub ist, in sich zurückgezogen lebt und für sich ein Resümee zieht. Die Werke erzählen diese Geschichte.
Am Samstag, 5. Mai, 18 Uhr lädt die Konzertreihe »Klingendes Schloss« zu einem »Beethoven-Marathon« im Festsaal des Weimarer Stadtschlosses ein. Peter Hörr, Cello, und Liese Klahn, Piano, spielen die fünf Sonaten für Violoncello und Klavier. Es erklingen insgesamt drei historische Hammerflügel, die den unterschiedlichen Klang von Beethovens Sonaten zur jeweiligen Entstehungszeit illustrieren. Christiane Wiesenfeldt führt im Rahmen dieses Gesprächskonzerts in den Kosmos Beethoven ein.