Neben dem Original können hochauflösende Digitalisate betrachtet werden.

Digitalisat und Original – Die „MagicBox“ im Test

Bibliotheken stecken immer im Dilemma: Sie wollen ihre historischen, wertvollen Buchbestände erhalten, aber gleichzeitig frei zugänglich machen und müssen somit riskieren, dass sich Bücher durch den Gebrauch abnutzen. Aus diesem Grund erprobt die Herzogin Anna Amalia Bibliothek seit einem Jahr, wie bereits digitalisierte Bestände Nutzerinnen und Besuchern am besten präsentiert werden können. Bis Ende Mai steht eine sogenannte „MagicBox“ im Nordsaal des Studienzentrums.

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Schaukasten, ist eine Kombination aus Vitrine und Bildschirm. Der Clou: Digitalisat und Original können gleichzeitig betrachtet werden. Über den Touchscreen kann die digitalisierte Luther-Bibel aus dem Jahre 1534 durchblättert, vergrößert und gelesen werden. Dahinter ist das Original, in diesem Fall eine Faksimile-Ausgabe der Bibel, zu sehen.

Über das Menü können zudem Porträts von Luther und seiner Frau, geschaffen von Lucas Cranach dem Älteren, sowie eine digitalisierte Weltkarte von Diego Ribero aus dem Jahr 1527 ausgewählt und studiert werden. Die Bedienung orientiert sich an der Handhabung von Smartphones, ist intuitiv und schnell erlernbar. Zusätzlich können mithilfe der zur Vitrine gehörenden Software weiterführende Texte, Videos und dreidimensionale Darstellungen angezeigt werden. Auch die Materialität eines Buchs kann daher wirklichkeitsnah digital vermittelt werden.

Die bisherige Resonanz der Nutzerinnen und Nutzer fällt überwiegend positiv aus. Mittels Befragungen werden die Anforderungen an eine öffentliche Präsentation digitalisierter Bücher festgehalten. Eine erste Erkenntnis: inklusiv und niedrigschwellig soll sie sein, damit auch Menschen mit Handicap Zugang zum präsentierten Wissen erlangen können.

Neben dem Original können hochauflösende Digitalisate betrachtet werden.

Neben dem Original können hochauflösende Digitalisate betrachtet werden.

Interessant ist auch, dass sich viele eine Präsentationsform wünschen, die der Nutzung eines gedruckten Buches möglichst nahe kommt – das wohl größte Manko digitaler Präsentationen, das allerdings durch portable Displays und bessere Software mehr und mehr gemindert wird. Dennoch kann keine noch so perfekte Simulation die Nutzung des haptisch erfahrbaren, dreidimensionalen Buchs ersetzen. Die grundlegende Frage ist daher:  Gilt es, die Möglichkeiten digitaler Technik den „alten“ Möglichkeiten des gedruckten Buches bereichernd hinzuzufügen oder diese gänzlich zu ersetzen?

In der Herzogin Anna Amalia Bibliothek als moderner Archiv- und Forschungsbibliothek, die neben der Erhaltung und Zugänglichmachung ihres Bestandes auch der Vermittlung der hier aufbewahrten kulturellen Überlieferung verpflichtet ist, werden beide Wege eingeschlagen. Im Rahmen der Bestandserhaltung werden wertvolle Bücher digitalisiert und um die technischen Möglichkeiten digitalisierter Formen erweitert. Im Bereich der Erwerbung werden mittlerweile auch rein digital erscheinende Zeitschriften den Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt.

Die „MagicBox“ im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Die „MagicBox“ im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Seit einem Jahr erprobt die Abteilung »Digitaler Service, Digitalisierungszentrum und Fotothek« in offenen Tests verschiedene technische Möglichkeiten, wie historische und bereits digitalisierte Buchbestände präsentiert und vermittelt werden können. Bis Juni 2018 wurde die zwei Meter hohe Bildschirm-Konsole ZED 10 getestet, ein Gerät zur Darstellung von 3D-Objekten, die mittels Gesten gesteuert werden kann.
Die „MagicBox“ der Firma CCS Content Conversion Specialists kann bis Ende Mai im Studienzentrum der Bibliothek von allen Interessierten genutzt und getestet werden.

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