Die Weimarer Kunstkammer
Kleinteilig und fein wirken die Ausstellungsstücke im Kunstkabinett vor dem Rokokosaal der historischen Bibliothek. Das Modell eines Schädels aus Elfenbein; eine filigran gearbeitete Hand aus grauem Ambra ziert mit Diamanten und Rubinen besetzter Schmuck.
Neben dem vergoldeten Himmelsglobus wirft der Lungenbaum seinen Schatten – der Bleiausguss einer Lunge – den der Überlieferung nach Herzogin Anna Amalias Küchenmeister und Mundkoch, François René Le Goullon, 1789 aus Bologna mitbrachte.
Die Gegenstände zeugen von kunsthandwerklichem Geschick und Fingerfertigkeit. Die kleinen Meisterwerke, teils aus exotischen Materialien gefertigt, stammen aus der ehemaligen herzoglichen Kunstkammer.
Auch »Wunderkammern« nennt man diese Vorläufer der heutigen Museen.
Sie vereinten Künstlerisches und Kurioses, verbanden Natur, Kunst, Wissenschaft und Mechanik.
Dahinter stand der Wunsch, die unendliche Vielfalt der göttlichen Schöpfung in die Studierstube zu holen, um die »Curiositas« zu befriedigen.
Es sind Sammelsurien verschiedenster Gegenstände, die dennoch miteinander verwoben sind: Im Fokus stand die Gesamtheit, nicht das einzelne Objekt.
Auch in Weimar wurde der herzoglichen Bibliothek und der Kunstkammer als Einheit gedacht. Was die Bücher sprachlich vermittelten, konnten die Kunstkammer-Objekte dinglich veranschaulichen.
So diente das Modell des menschlichen Schädels einerseits als anatomisches Lehrstück, als Vanitassymbol erinnerte es andererseits an die Vergänglichkeit des Seins. Sinnbildlich für die Kunstkammer vereinigt der Schädel in Material und kunstvoller Bearbeitung die »Naturalia« und »Artificialia«.
Die Gruppe der „Scientifica“, die wissenschaftlichen Instrumente, repräsentiert der vergoldete Himmelsglobus, geschaffen um 1585 vom Schweizer Uhrmacher Jost Bürgi. In ihm befindet sich ein Uhrwerk, das den Globus um seine eigene Achse dreht. Zu jeder Stunde, an jedem Tag zeigt er dem Betrachter, an welcher Stelle sich die Gestirne befinden.
Ein besonderes Meisterstück mechanischer Kunst ist der sogenannte Harlekin.
Wird der Musikautomat mit Hilfe des seitlich angebrachten Schlüssels aufgezogen, beginnt die fast kleinkindgroße Figur zu trommeln, hebt den Kopf und blickt im Raum umher.
Diese mechanischen Kuriositäten waren besonders im 18. Jahrhundert in Fürstenhäusern beliebt. Sie zeigen den seit der Antike bestehenden Wunsch des Menschen, sich selbst ein mechanisches Abbild zu schaffen.
Die eingangs erwähnte, aus Ambra gefertigte Hand war übrigens ein Hochzeitsgeschenk der Prinzessin Charlotte Marie von Sachsen-Jena an ihren Gatten Wilhelm Ernst.
Die wohlriechende, wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt des Pottwals war früher Grundstoff der Parfümherstellung und sollte dem Paar als Aphrodisiakum zu einem Thronfolger verhelfen.
Die Ehe blieb jedoch kinderlos, die Scheidung folgte sieben Jahre später.
Der Bibliothekar als Gatekeeper der Wissenschaft
»Zukunft bewahren« Imagefilm der Herzogin Anna Amalia Bibliothek