Cathleen Guthmann, bot­tom­less (some­thing like fear), Fine Art Print © Cathleen Guthmann

Cathleen Guthmann: »bot­tom­less«

»Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne«: Cathleen Guthmann befasst sich mit dem Torso vom Belvedere und inszeniert ihn mit Hilfe einer plas­ti­schen Hand.

Mit die­ser Arbeit inter­pre­tie­re ich die Herangehens- und Arbeits­wei­se Johann Joa­chim Win­kel­manns, die stark von sinn­li­chen Erkun­dun­gen geprägt war. Der Tast­sinn, auch »Fühlen« genannt, spiel­te ab 1756 für die Annä­he­rung Win­kel­manns an die anti­ke Kunst eine wich­ti­ge Rol­le.

Bei der Wahl des Motivs ließ ich mich durch den Tor­so vom Bel­ve­dere inspi­rie­ren, um den es zahl­rei­che Dis­kus­sio­nen gibt. Die­ser aus dem ersten Jahr­hun­dert v. Chr. stam­men­de Tor­so zählt zu den bedeu­tends­ten Kunst­wer­ken der Vati­ka­ni­schen Muse­en. Neben dem Kopf feh­len ihm jeg­li­che Glied­maßen. Die Sta­tue zeigt einen nack­ten Mann mit stark mus­ku­lö­sem Kör­per, auf einem Fel­sen sit­zend. Sei­ne Hal­tung wirkt ange­spannt. Folgt man dem Archäologen Rai­mund Wünsche, so handelt es sich um den sinnenden Aias.

Cathleen Guthmann, bot­tom­less (some­thing like fear), Fine Art Print © Cathleen Guthmann

Cathleen Guthmann, bot­tom­less (some­thing like fear), Fine Art Print © Cathleen Guthmann

Auch in den von Johann Joa­chim Win­kel­mann ver­fass­ten Schrif­ten ist der Tor­so vom Bel­ve­dere elementarer Bestand­teil. So schrieb er 1759 in einem Essay: »Der ers­te Anbli­ck wird dir viel­leicht nichts als einen ver­un­stal­te­ten Stein ent­de­cken; ver­magst du aber in die Geheim­nis­se der Kunst ein­zu­drin­gen, so wirst du ein Wun­der der­sel­ben erbli­cken, wenn du die­ses Werk mit einem ruhi­gen Auge betrach­test.«

In die­ser Arbeit ver­bin­de ich die­se bei­den sehr prä­gnan­ten Ele­men­te, die Johann Joa­chim­ Win­kel­mann in sei­ner Forschungsarbeit beein­fluss­ten. Der Tor­so wird durch die Form einer plas­ti­schen Hand insze­niert, wel­che dem eigent­li­chen Tor­so vom Bel­ve­dere feh­len. Sie kann als Über­tra­gung der Win­kel­mann­schen Arbeits­wei­se begrif­fen wer­den.

Unter dem Motto »Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne« haben wir Künstlerinnen und Künstler der Bauhaus-Universität Weimar dazu eingeladen, sich kreativ mit Johann Joachim Winckelmann und seinem Wirken zu beschäftigen. Bis zum Ende der Ausstellung am 2. Juli veröffentlichen wir die unterschiedlichen Ergebnisse dieser künstlerischen Zusammenarbeit wöchentlich im Blog.

Cathleen Guthmann

1980 in Jena geboren, studierte sie dort zunächst Soziologie, bevor sie sich 2009 für den Studiengang »Medienkunst« an der Bauhaus-Universität entschied. Auch im Master, den sie derzeit absolviert, legt sie ihren Fokus auf der fotografischen Auseinandersetzung mit überwiegend biografischen Themen. Cathleen Guthmann wurde 2013 mit dem Grafe-Kreativ-Preis sowie dem Bauhaus Essential-Preis ausgezeichnet. Sie arbeitet und lebt mit ihrer Familie in Weimar.

Die Ausstellung »Winckelmann. Moderne Antike« ist vom 7. April bis 2. Juli 2017 im Neuen Museum in Weimar zu sehen.

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Zur Winckelmann-Ausstellung

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