Carl Alexander:
Dynastie und Ausbildung
Im Laufe der langen Lebens- und Regierungszeit Carl Alexanders vollzog sein Land einen tiefgreifenden Wandel. Als der Thronfolger geboren wurde, waren die Napoleonischen Kriege gerade zu Ende gegangen und Sachsen-Weimar-Eisenach zum Großherzogtum aufgestiegen, als er im Jahr 1853 die Regentschaft übernahm, hatte die bürgerliche Revolution 1848/49 die Herrschaftsverhältnisse auch in Deutschland infrage gestellt und als der Großherzog schließlich zu Beginn eines neuen Jahrhunderts starb, war sein Land Teil des 1871 unter preußischer Führung gegründeten Deutschen Kaiserreichs geworden, in dem die Welt der Kleinstaaten Thüringens zwar erhalten blieb, die Bundesfürsten aber ihre Souveränität weitgehend verloren.
Als Vertreter der ernestinischen Linie der Wettiner repräsentierte Carl Alexander eine der ältesten hochadeligen Familien Europas, eine Verantwortung, die für ihn untrennbar mit der Aufgabe verbunden war, das Erbe der Weimarer Klassik zu bewahren. Im Mittelpunkt seines Wirkens stand daher der Ausbau Weimars zu einem kulturellen Zentrum in Deutschland. Mit dieser Mission verlieh er seiner Dynastie am Ende des bürgerlichen 19. Jahrhunderts neue Legitimität und wies Weimar den Weg in die Moderne um 1900.
Carl Alexander August Johann wurde am 24. Juni 1818 in Weimar geboren und wuchs ebenso wie seine älteren Schwestern Marie und Augusta in den Räumen des Weimarer Residenzschlosses auf. Man hatte eigens Johann Wolfgang von Goethe um Rat gefragt, als Maria Pawlowna mit Frédéric Soret bewusst einen Nichtadeligen aus einer hugenottischen Familie zum Prinzenerzieher bestimmte. Soret vertrat einen modernen, kindgerechten Erziehungsstil, der auf Selbstdisziplin, menschliche Verantwortung und Pflichtgefühl zielte. Von Anfang an wuchs Carl Alexander mehrsprachig auf, neben Griechisch und Latein gehörten die modernen europäischen Sprachen zum Lehrstoff. Mit seiner russischen Mutter sprach er Französisch, das für ihn so im wahrsten Sinne des Wortes zur Muttersprache wurde und unter seiner Regentschaft die offizielle Sprache am Weimarer Hof blieb. Ab 1830 unterrichtete auch Johann Peter Eckermann den Prinzen, anfangs in englischer Sprache, dann vor allem in deutscher Literaturgeschichte.
Goethes gleichaltriger Enkel Walther wurde zum Spielkameraden, wenn Soret mit seinem Zögling das Haus am Frauenplan besuchte. Der Thronfolger wuchs auf diese Weise im unmittelbaren Wirkungskreis der Klassik heran. Zum pädagogischen Konzept Sorets gehörte es, Carl Alexander mit der außerhöfischen Welt, nützlichem Wissen und dem Leben der einfachen Untertanen vertraut zu machen.
Im Jahr 1834 begab sich Carl Alexander auf die erste große Italienreise, die ihn bis nach Neapel führte und den Grundstein für seine lebenslange Italienleidenschaft legte. Nach zwei Studienjahren 1835 bis 1837 an den Universitäten in Leipzig und Jena – den Hochschulen des Wettinischen Familienverbandes – an denen er naturwissenschaftliche und juristische Vorlesungen hörte, war der Thronfolger in den Habsburgischen Ländern, in Böhmen, Ungarn und in Wien unterwegs und knüpfte Kontakte zum österreichischen Kaiserhaus. Während einer Englandreise im Jahr 1839 lernte er London und damit die Metropole der damaligen Welt kennen, auf der Fahrt bis nach Schottland außerdem die adelige Lebenswelt auf den Landsitzen. Nach dem industriell weit entwickelten England begegnete er auf einer mehrmonatigen Reise nach Russland 1841 einer wirtschaftlich und sozial rückständigen Gesellschaft, zu der das überaus glanzvolle Leben am Zarenhof in St. Petersburg in krassem Gegensatz stand.
In diesen Lebensabschnitt fällt die relativ kurze militärische Ausbildung in Breslau beim 1. Königlichen Preußischen Kürassier-Regiment; auf die Erziehung in einer preußischen Kadettenanstalt hatte man Ende der 1820er-Jahre zugunsten der weiteren humanistisch-liberal gesinnten Ausbildung des Thronfolgers bei Soret verzichtet. Nach Abschluss seiner Ausbildung und dem Einstieg in die Regierungsgeschäfte hatte sich für Carl Alexander Anfang der 1840er-Jahre auch die Frage der Brautwahl gestellt. Sophie war er 1834 erstmals begegnet, als Anna Pawlowna in Begleitung der Tochter Weimar besuchte. Bei der Rückkehr von seiner Englandreise traf er in den Niederlanden seine Cousine erneut. Im Frühjahr 1842 verlobten sich beide, und am 8. Oktober desselben Jahres wurde in Den Haag die Ehe geschlossen.
Die Hochzeit wurde unter dynastischen Aspekten von Maria Pawlowna und ihrer jüngeren Schwester, der Großfürstin Anna Pawlona, Königin der Niederlande, angebahnt. Es war keine Liebesheirat der Kinder, jedoch fanden beide über gemeinsame Interessen zueinander. In Weimar durfte man aufgrund der guten finanziellen Ausstattung der Braut die erfolgreiche Fortführung der kulturellen und sozialpolitischen Projekte in der nachfolgenden Generation erwarten. Zudem erbte Sophie als einzige Tochter 1865 das Privatvermögen ihrer Mutter, wodurch – vermittelt über die Niederlande – ein zweites Mal die reiche Mitgift einer Zarentochter nach Weimar gelangte.
Nach der Hochzeit wurde der Ausbau von Schloss Ettersburg zum geselligen Zentrum betrieben; allerdings erlangte der mit Hilfe von Fürst Pückler-Muskau ausgestaltete Landsitz nie den Charakter des ›Musenhofes‹, wie ihn sich Carl Alexander vorgestellt hatte. Die kulturpolitischen Projekte seiner Regierungszeit ab 1853 setzten bereits mit der Übernahme des Protektorats für den Wiederaufbau der Wartburg 1838 ein. Carl Alexanders intellektueller Austausch mit Künstlern, Literaten und Musikern spiegelt sich in seiner umfangreichen Korrespondenz. Sein Interesse an außereuropäischen Kulturen zeigte sich in der zweiten Hälfte seiner Regierung unter anderem an der Förderung deutschen Engagements in Afrika, indem er Forschungsreisende wie Gerhard Rohlfs oder Kaufleute wie Adolf Lüderitz, aber auch Kolonialisten wie Carl Peters unterstützte.
Das Zarenreich, die Heimat seiner Mutter, blieb zeitlebens eine familiäre Gegenwelt für Carl Alexander. Maria Pawlownas enge Bindung an Russland hatte sich auch auf ihre Kinder ausgewirkt, die in dem Bewusstsein aufwuchsen, bedeutenden europäischen Dynastien zu entstammen – mit allen Rechten und Pflichten im politischen, sozialen und kulturellen Bereich. Der Weimarer Fürst reiste immer wieder nach Russland, zuletzt noch als fast Achtzigjähriger im Jahr 1896, um an der Inthronisation des letzten Zaren Nikolaus II. teilzunehmen.
Anlässlich des 200. Geburtstages von Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901) zeigen Klassik Stiftung Weimar, Friedrich-Schiller-Universität Jena und das Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar vom 4. Mai bis 1. Juli 2018 die Kabinettausstellung »Chrysantheme und Falke. Carl Alexander und Japan – Weimar ∙ Jena ∙ Tokyo« im Weimarer Stadtschloss.