Bauhaus-Lieblinge:
Bucheinbände von Anny Wottitz
Mit Otto Dorfner und Anny Wottitz trafen in der Buchbinderei am Bauhaus ganz unterschiedliche Biographien aufeinander. Frank Sellinat, Buchrestaurator und Mitarbeiter der Bestandserhaltung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, zeigt mehrere Bucheinbände, denen man diese Spannungen ansieht.
Die Buchbinderei wird heute eher selten mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht, obwohl sie zu einer der ersten Werkstätten gehörte, die 1919 den Lehrbetrieb aufnehmen konnten. Werkmeister war der Buchbindemeister und Einbandkünstler Otto Dorfner, der 1910 von Henry van de Velde als Werkstattleiter an die Kunstgewerbeschule in Weimar berufen wurde und auch am Bauhaus seine Funktion als Werkmeister von April 1919 bis März 1922 behielt. Danach machte er sich selbstständig, fertigte aber weiterhin Arbeiten für das Bauhaus an.
Anny Wottitz, geboren 1900 in Budapest, kam 1919 als Teil der »Wiener Gruppe« um Johannes Itten ans Bauhaus und wurde Lehrling in der Buchbindeklasse Dorfners. Im Gegensatz zu Dorfner, der besonderen Wert auf die buchbinderischen Techniken legte, experimentierte Anny Wottitz mit vielfältigen Materialien und Techniken und ließ sich künstlerisch von Johannes Itten und Theo van Doesburg inspirieren. Nach ihrer Gesellenprüfung in Wien übernahm sie 1922 die verwaiste Buchbindereiwerkstatt für sieben Monate bis zum 1. Mai 1923, bevor sie Weimar in Richtung Berlin verließ. Am Bauhaus Dessau wurde die Buchbindewerkstatt nicht weitergeführt. 1924 heiratete Anny Wottitz den Textilunternehmer Hans Moller in Wien, mit dem sie dort eine von Adolf Loos gebaute Villa bezog. 1938 flüchtete die Jüdin Anny Wottitz vor den Nationalsozialisten nach London und emigrierte zwei Jahre später nach Palästina, wo sie als Lehrerin tätig war. Sie verstarb 1945 in Haifa.
Bis zur Eröffnung des bauhaus museums weimar im April 2019 zeigen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre liebsten Bauhaus-Stücke und -Orte.