Goethes Wohnhaus am Frauenplan

Brunchen am Frauenplan

Goethe soll ein guter Gastgeber gewesen sein. In seinem Haus am Frauenplan waren Besucher stets willkommen und wurden zuvorkommend bewirtet. In seinen Rechnungsbüchern finden sich, etwa unter der Rubrik »Gasterey und Thee«, allerlei Ausgaben, die die Bewirtung von Gästen dokumentieren: So lud er zum Beispiel für eine »Theegesellschaft« am 27. Januar 1797 zu »Kuchen«, »Kreppel« (Krapfen), »Bisquit«, »Armen Rittern« (in Milch und Ei ausgebackene Brötchen), »Raam und Thee« ein.

Ausschnitt aus Goethes Rechnungsbuch vom 27. Januar 1797

Ausschnitt aus Goethes Rechnungsbuch vom 27. Januar 1797

Etwas höher waren Goethes Ansprüche als Gastgeber, als der berühmte Schauspieler und zugleich Direktor des Königlichen Nationaltheaters zu Berlin, August Wilhelm Iffland, im April 1798 zu einem Gastspiel am Hoftheater nach Weimar kam. Die Theaterbesucher, die von nah und fern anreisten, sollte Iffland »durch acht seiner Vorstellungen anfrischen«, wie es Goethe in den »Tag- und Jahresheften« ausdrückte. Das Theater war an allen acht Vorstellungen restlos ausverkauft.

Goethes Gedicht »Offne Tafel« mit Vertonung von Zelter unter dem Titel »Das Gastmahl«, 26. Februar 1814

Goethes Gedicht »Offne Tafel« mit Vertonung von Zelter unter dem Titel »Das Gastmahl«, 26. Februar 1814

Sehnlichst war Iffland erwartet worden. Man kannte ihn nicht nur als Schauspieler durch sein letztes Gastspiel in Weimar aus dem Jahr 1796, sondern auch als erfolgreichen Dramatiker, dessen bürgerliche Familiengemälde und moralisierende Rührstücke auf dem Weimarer Theater gerne gesehen und gegeben wurden. Anlass genug für den Theaterdirektor Goethe, am Frauenplan acht große Frühstücks-Empfänge für den hohen Gast zu geben:

»[…] die Jahrszeit ist günstig, da [Iffland] fünf Wochen später kommt als das vorige Mal, und mein Haus ist groß genug, da ich alle Zimmer und den Garten brauchen kann; ich werde dagegen die Abendessen aufgeben«,

schrieb Goethe am 18. April 1798 an Charlotte von Schiller und lud sie und ihren Mann im gleichen Atemzug mit ein. Bestückt werden sollte die Tafel durch die Hofküche, die Hofkonditorei und die Hofkellerei. Die Unkosten trug nicht Goethe selbst, sondern die Theaterkasse. Ob Goethes Nachbar am Frauenplan, René François le Goullon, Mundkoch und Küchenmeister der Herzogin Anna Amalia, einige der Speisen herstellte und lieferte, ist nicht bekannt. Gesichert ist allerdings, dass sich Goethe privat von Goullon immer wieder Pasteten und andere Köstlichkeiten ins Haus bestellte – dies geht aus Goethes Rechnungen hervor.

Eine Quittung von René François le Goullon aus Goethes Rechnungsunterlagen; geliefert wurden Gänseleberpastete mit Trüffel und Gelée, drei kleine Lebern sowie eine große Pastete von vier Lebern für insgesamt 6 Taler und 2 Groschen

Eine Quittung von René François le Goullon aus Goethes Rechnungsunterlagen; geliefert wurden Gänseleberpastete mit Trüffel und Gelée, drei kleine Lebern sowie eine große Pastete von vier Lebern für insgesamt 6 Taler und 2 Groschen

Goullons Rezepte und Serviervorschläge für »die Bewirthung vornehmer Gäste so wie es die feinere Kochkunst […] gebietet« in seinem 1829 erschienen Taschenbuch »Der neue Apicius« zeugen von seinem routinierten Umgang mit einer großen Anzahl von zu bewirtenden Gästen und von einer beeindruckenden Art, die dargebotenen Speisen elegant in Szene zu setzen.

Kupferstich von Zuckerbäckereien aus René François le Goullons »Der neue Apicius oder die Bewirthung vornehmer Gäste« von 1829

Kupferstich von Zuckerbäckereien aus René François le Goullons »Der neue Apicius oder die Bewirthung vornehmer Gäste« von 1829

Was wurde nun im April 1798 am Frauenplan aufgetischt? Und wer wurde eingeladen?

An den acht Tagen kamen unterschiedliche Gesellschaftsschichten bei Goethe zusammen. Am ersten Tag saßen vorwiegend Jenaer Professoren und Weimarische Schauspieler mit Iffland zu Tisch. Das Ehepaar Schiller ließ sich wegen Krankheit Schillers entschuldigen.

Heute würde man sagen: Es wurde gebruncht. Neben Brot und Semmeln – übrigens nicht zu verwechseln mit unserer heutigen Bezeichnung eines Brötchens – Semmeln nannte man zu Goethes Zeiten aus Weißmehl gebackenes Brot – ließen sich die Gäste einen Schinken von acht Pfund, zwei geräucherte Rinderzungen, eine große und eine kleine Cervelatwurst sowie ein halbes Pfund Schweizer Käse schmecken. Angerichtet wurden außerdem fünf Teller Confekt, zwei Pfund Trinkschokolade sowie fünf Nösel (1 Nösel entspricht zirka 0,4 Litern) süßer Wein.

Am folgenden Tag waren Hof und Adel geladen: Es erschien die herzogliche Familie, drei Paare von Egloffstein, das Ehepaar von Werthern, der Hofmarschall Wilhelm von Wolzogen mit Gemahlin und andere mehr. Neben Brötchen und Semmeln sowie vier Tellern Confekt kamen dieses Mal aus der Hofküche zwei Torten von Butterteig auf den Tisch. Das Rezept für diesen Hefekuchen mit Butter und Rosinen findet sich zum Beispiel in Goullons »Der elegante Theetisch oder die Kunst einen glänzenden Zirkel auf eine geschmackvolle und anständige Art ohne großen Aufwand zu bewirthen.«

Rezept aus René François le Goullons »Der elegante Theetisch« von 1809, Ausschnitt

Rezept aus René François le Goullons »Der elegante Theetisch« von 1809, Ausschnitt

Am nächsten Tag waren wieder Wissenschaftler und Künstler geladen, am Folgetag seine Durchlaucht der Herzog, Prinz August von Gotha sowie einige Hofkavaliere, Gelehrte und Schauspieler. Goethe und Iffland, die als einzige immer zu Tische saßen, erhielten ausreichend kulinarische Abwechslung, denn es gab neben dem täglichen Angebot an Semmeln und Broten auch immer etwas anderes: Mal wurde Kalbsbraten und Rinderzungen gereicht, als Nachtisch Sandtorte und Sandtörtchen, mal ausschließlich Süßes in Form von eingemachten Kirschen und Johannisbeer-Gelee sowie eine Torte von kaltem Butterteig und 15 kleinen Törtchen aus der Hofküche.

August Wilhelm Iffland als Essighändler in »Der Essigmann mit seinem Schubkarrn. Ein Drama von drei Akten« aus dem Französischen von Louis Sébastien Mercier; Aquarellierte Federzeichnung eines unbekannten Künstlers

August Wilhelm Iffland als Essighändler in »Der Essigmann mit seinem Schubkarrn. Ein Drama von drei Akten« aus dem Französischen von Louis Sébastien Mercier; Aquarellierte Federzeichnung eines unbekannten Künstlers

Nebenbei: Iffland spielte in allen Stücken »fürtrefflich«. So berichtete Goethe am 25. April 1798 an Charlotte von Schiller über Ifflands Darstellung der Titelrolle in dem Stück »Der Essigmann mit seinen Schubkarrn«, nach dem Französischen von Louis Sébastien Mercier: »Naturell, Studium, Überlegung, alte und gewohnte Übung dieser Rolle, Mäßigkeit, Mannigfaltigkeit, Lieblichkeit und Kraft war an ihm zu bewundern. « Iffland reiste zufrieden wieder ab. Sein Weimar-Aufenthalt war künstlerisch und – hoffentlich auch kulinarisch – ein voller Erfolg gewesen.

Noch bis zum 16. Dezember erfahren Sie in der Ausstellung »Sardellen Salat sehr gut« im Goethe- und Schiller-Archiv mehr darüber, was bei Goethe, Schiller, Arnim und anderen Geistesgrößen auch des späten 19. Jahrhunderts auf den Tisch kam.

Am 17. Oktober 2018, 16 Uhr, findet die nächste Kuratorenführung statt. Am 15. November laden wir zum Vortrag »›Trocknes Brot und saures Bier‹– Die Esskultur der Goethezeit zwischen Provinzküche und Weltkost« von Prof. Dr. Gunther Hirschfelder (Regensburg) ein.

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