Anna Härtelt, »What?«, Fotografien © Anna Härtelt

Anna Härtelt: »What?«

»Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne«: Künstlerin Anna Härtelt verbindet in ihrer Arbeit eine vermeintlich schöne Welt mit einer vermeintlich hässlichen, wie sie selbst schreibt.

Meine Arbeit »What?« lässt sich ähnlich decodieren wie die Serie »perfectSUPERnatural« von LawichMüller, zu sehen in der Ausstellung »Winckelmann. Moderne Antike« im Neuen Museum in Weimar. Das Künstlerpaar LawichMüller morpht ein Foto des Apoll von Olympia mit zeitgenössischen Porträtaufnahmen junger Männer. Ich antikisierte in »What?« eine junge Frau als fragmentierte Marmorfigur.

Mittels Fotografie ahme ich den antiken Proportionskanon und das klassizistische Schönheitsideal Winkelmann‘scher Prägung nach: klare Konturen, gemäßigter Ausdruck, keine Farbe; eine schwarz-weiße, ruhende Figur vor schwarzem Hintergrund. Auch in meiner Arbeit wird eine Konstellation von moderner Antike und antiker Moderne deutlich. Antike und Gegenwart, Kunst und Mensch, Ideal und Individuum verschränken sich ineinander. Die für die Antike unüblichen Tätowieren verschieben außerdem die Seherfahrungen beim Betrachter.

Anna Härtelt, »What?«, Detail © Anna Härtelt

Anna Härtelt, »What?«, Detail © Anna Härtelt

 

Die Reihe von LawichMüller führe weniger die Verschönerung von Menschen als vielmehr die Entmenschlichung durch ein Schönheitsideal vor, das sich präzise an der Antike orientiere, ist in der Ausstellung zu lesen.

Johann Joachim Winckelmann war ein scharfer Kritiker seiner Zeit.

Er orientierte sich an einem »Ideal von Ausgleich, Simplizität und Klarheit in Beziehung zu einem utopisch anmutenden freiheitlichen Gesellschaftsentwurf, der im dezidierten Gegensatz zur spätbarocken Kunst und zum aufgeklärten Absolutismus stand«. Winckelmann leitete das »Schöne« von der ursprünglichen und gesunden Lebensweise der Griechen her. Warmes Wetter, körperliche Ertüchtigung im Freien, gesunde Nahrung, weite Gewänder, die den nackten Körper nur umflossen statt einengten, machten ihm zufolge einen freien, utopischen Lebenswandel erst möglich. In dieser Gemengelage fiel die Kunst auf fruchtbaren Boden, bis hin zu dem von ihm definierten »Schönen Stil« der antiken Bildhauerei.

Anna Härtelt, »What?«, Detail © Anna Härtelt

Anna Härtelt, »What?«, Detail © Anna Härtelt

Kontrastierend, ambivalent oder eher ineinander verschränkt sind in »What?« die Winckelmann‘sche Vorstellung einer paradiesischen Lebenswelt im Altertum, aus der höchste Ästhetik gedieh, seine Kritik an der Gesellschaft, Kunst und Politik des 18. Jahrhunderts und die gezeigte junge Frau aus dieser, unseren, modernen, dekadenten, neoliberalen Weltordnung kommend. Ein Irrsinn. Eine vermeintlich schöne Welt mit einer vermeintlich hässlichen verzahnt.

Unter dem Motto »Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne« haben wir Künstlerinnen und Künstler der Bauhaus-Universität Weimar dazu eingeladen, sich kreativ mit Johann Joachim Winckelmann und seinem Wirken zu beschäftigen. Bis zum Ende der Ausstellung am 2. Juli veröffentlichen wir die unterschiedlichen Ergebnisse dieser künstlerischen Zusammenarbeit wöchentlich im Blog.

Anna Härtelt

Anna Härtelt wurde 1984 in Sachsen geboren. Sie studierte Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar und der University of Arts in Tokio. Die Künstlerin war unter anderem an Ausstellungen in Leipzig, Yokohama (Japan), Nagoya (Japan), Weimar, Erfurt und Berlin beteiligt. Anna Härtelt ist Preisträgerin 2015 der Stiftung Stiftung Ulla und Eberhard Jung.

Die Ausstellung »Winckelmann. Moderne Antike« ist vom 7. April bis 2. Juli 2017 im Neuen Museum in Weimar zu sehen.

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zur Winckelmann-Ausstellung

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