Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Alte Vase im neuen Gewand
Zur Langen Nacht der Museen stellen wir in den Räumen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek eine Möglichkeit vor, wie historische Museumsobjekte digital präsentiert werden können. Mittels einer Virtual-Reality-Brille kann ein 3D-Modell einer Vase mit Panorama-Malerei aus dem Jahr 1841 betrachtet werden. Online ist die 3D-Visualisierung hier zu finden.
Die prunkvolle Vase mit der außergewöhnlichen Panorama-Malerei wurde in der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin gefertigt und 1841 als Geschenk an das großherzogliche Paar Maria Pawlowna und Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach übersandt. Sie repräsentiert zum einen die engen dynastischen Verbindungen, zum anderen demonstriert sie auch ein politisches Signal der Zusammengehörigkeit.
Die Weimarer Großherzogin und Zarentochter Maria Pawlowna kam 1804 mit ihrem frisch angetrauten Gemahl Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach in ihre neue Heimat. Während ihrer Regentschaft und ihres Wirkens in Weimar blieb sie in engem Kontakt mit ihren Familienmitgliedern in St. Petersburg. Auch mit dem preußischen Königshof entstand bald eine enge dynastische Verbindung, als ihre beiden Töchter preußische Prinzen heirateten.
Prunkvolle Familiengeschenke aus Porzellan sind im 18. und 19. Jahrhundert als Zeichen der Wertschätzung keine Seltenheit, denn mit der Entdeckung der Komponenten, aus denen man Porzellan herstellen konnte, wurde das „weiße Gold“ Inbegriff der Repräsentation von Luxus und Wohlstand. Mit der kontinuierlichen Verbesserung der Porzellanmasse um die Wende zum 19. Jahrhundert und der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten im Bereich der Porzellanmalerei und im Brandprozess konnten immer aufwendigere, gestalterisch anspruchsvollere und auch immer größere Porzellane gefertigt werden.
Die Königliche Porzellan-Manufaktur, gegründet 1763 von Friedrich dem Großen, fertigte in hohem Maße für den Preußischen Königshof. Als Eigentümer der KPM setzte der König das „weiße Gold“ gezielt als diplomatisches Mittel ein. Seine Staatsgeschenke stammten häufig aus der Manufaktur und finden sich im russischen Zarenhaus ebenso wie auf den Tafeln der bekanntesten europäischen Fürstenhäuser.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die KPM im Vergleich zu den großen europäischen Manufakturen führend bei der Produktion der Ansichten- oder Veduten-Porzellane. Auch neue Entwicklungen im Farb- und Formenbereich, im Umgang mit Glasurtechniken und Vergoldungen weckten das Interesse innerhalb der Käuferschaften an dekorativer Porzellankunst. Zu den bedeutendsten Vedutenmalern gehörte Carl Daniel Freydanck, der unter Leitung des seit 1832 amtierenden Manufakturdirektors Georg Frick eine Serie der schönsten Ansichten von Berlin und Potsdam entwarf. Verdutenmaler hatten das Ziel, Landschaften möglichst wirklichkeitsgetreu abzubilden.
Eine besondere, innovative Form der Vedutenmalerei auf Porzellan stellen in der Dekorgeschichte der KPM die Stadt- und Landschaftsbilder dar, die als Rundpanoramen die Gefäßkörper zieren. Diese Variante erlebte in der Zeit von 1826 bis 1841 eine wahre Blüte. Bis 1850 lassen sich in den Akten der Berliner Manufaktur 39 Porzellanobjekte nachweisen, die mit Rundbildern verziert wurden. Darunter finden sich unter anderem 27 Porzellanvasen, die als ausgewählte Geschenke durch das Preußische Königshaus in Auftrag gegeben wurden. Wichtiger Auftraggeber war Friedrich Wilhelm III. Er ließ die Stadt- und Parklandschaften von Berlin und Potsdam als Rundumblick aus der Perspektive des sich in der Landschaft bewegenden Spaziergängers festhalten. Der Reiz dieser Panoramen lag in der Beweglichkeit der Vasen, die sich mittels einer Schraube drehen ließen und somit einen imaginären Rundgang erlaubten.
Die digital vorgestellte Vase zeigt den Panorama-Rundblick auf Potsdam, gesehen vom Babelsberg über die Havel, nach rechts auf das Marmorpalais jenseits des Heiligen Sees, die Glienicker Brücke und Schloss Glienicke. Auf der linken Seite erblickt der Betrachter im Hintergrund das neue Palais und die Häuser Potsdams mit dem Turm der Garnisonskirche, außerdem die Nikolaikirche, die Heiligengeistkirche, die Lange Brücke und die Häuser vor dem Brauhausberg mit Belvedere.
Sie ist ein bedeutendes und innovatives Zeitzeugnis der neuen technologischen Entwicklungen im Bereich der Porzellanmalerei im 19. Jahrhundert. Die Vase kann in Schloss Belvedere in natura betrachtet werden.
Die virtuelle Präsentation knüpft an den Bildinnovationen der Panoramavase an. Die Interaktion wird durch die technischen Möglichkeiten einer dreidimensionalen Simulation der Panoramavase erweitert. Mittels einer Virtual-Reality-Brille kann der Betrachter die Vasenabbildung im 360°-Winkel drehen und vergrößern. Erläuterndes Bild- und Textmaterial zur Vase findet sich in einer digitalen Ausstellungsvitrine. Das oben gezeigte Panoramabild der Potsdamer Landschaft wird ergänzt durch historische Ansichten. Unter anderem werden Abbildungen aus dem Buch „Ansichten von Berlin, Potsdam, Charlottenburg, Parez und der Pfaueninsel“ aus dem Jahre 1823 gezeigt, das einst auch Goethe ausgeliehen hatte.